In der Auferstehung gründet die Leibfreundlichkeit des Christlichen. Bischof Manfred Scheuer im Gespräch.
Ausgabe: 2016/12, Bischof, Ostern, Scheuer
22.03.2016 - Matthäus Fellinger
Herr Bischof, erstmals feiern Sie Ostern als Bischof von Linz. Was ist für Sie das Wesentliche an Ostern?
Bischof Manfred Scheuer: Ich habe schon oft im Linzer Dom Ostern gefeiert. Damals war es eine starke Zeit der Einkehr, der Sammlung und des Feierns. Als Spiritual hatte ich in diesen Tagen ja sonst nicht so viel zu tun. Das ist jetzt anders. Als Bischof habe ich die Liturgie zu leiten und zu predigen, insofern ist das schon eine gewisse Anspannung. Insgesamt sind die Kartage aber nicht so stark mit Terminen besetzt. Ich freue mich darauf.
Ostern ist für mich wesentlich das Zusammen von Tod und Auferstehung, es ist nicht einfach nur ein Frühlingsfest. Ich merke, dass an vielen Orten der bestbesuchte Gottesdienst im Jahr der Palmsonntag ist, weil dieser als Frühlingsfest empfunden wird.
Nicht einmal die Hälfte der Christ/innen sagen, sie glauben an Auferstehung. Ein Alarmzeichen?
Auferstehung knüpft an eine Ursehnsucht von uns Menschen an, verbunden mit der Frage: Was darf ich hoffen? Und: Gibt es eine Versöhnung von Glück, Glückseligkeit und Gerechtigkeit? Anders gefragt: Finden sich die Leute einfach ab damit, dass Menschen kaputtgehen und das eigene Leben sinnlos ist? Das wäre schon ein Alarmzeichen. Es würde bedeuten, dass todbringende Kräfte letztlich obenauf sind. Es geht grundsätzlich um die Frage: Können wir das Leben lieben und annehmen, oder finden wir uns eigentlich ab mit den offenen oder versteckten Formen des Todes?
Hat die Kirche zu selbstverständlich von den Menschen erwartet, dass sie den Glauben an Auferstehung annehmen können?
Was heißt hier glauben? Die Botschaft der Auferstehung auch des Fleisches ist früher sehr handfest vermittelt worden. Dass es, wie Paulus sagt, ein „pneumatischer“, ein geistiger Leib ist, ist schon wichtig. Ich halte die Leiblichkeit der Auferstehung dennoch für wesentlich. Bei aller Betonung einer vordergründigen Leibfreundlichkeit sind viele unserer gesellschaftlichen Erfahrungen leibfeindlich. Das betrifft zum Beispiel die Arbeit, die den Leib oft losgelöst vom ganzen Menschen sieht, teilweise auch die Medizin, wenn der Leib manchmal nur wie ein Motor, den man repariert, gesehen wird. Wie eine Maschine oder ein Esel hat er dann nur zu funktionieren. Es geht darum, auf den Rhythmus des Leibes zu achten und auf seine Signale zu hören.
Sie sprechen von Leibfreundlichkeit. Viele unterstellen der Kirche eher das Gegenteil.
Ich sehe die Leibfreundlichkeit des Christlichen in den leiblichen Werken der Barmherzigkeit, auch in der Leiblichkeit der Sakramente, die nicht reiner Geist sind. Ebenso in der leiblichen Auferstehung, auch in der leiblichen Liebe, in den Dimensionen von Agape, Caritas, aber auch von Freundschaft und Eros. Ostern ist für mich das Ausrufzeichen Gottes: Ich mag den Leib.
Sie haben in der Antrittspredigt am 17. Jänner die Frage gestellt, ob die Kirche fähig sein wird, zu den Zeitgenossen zu finden. Ist die Kirche auf dem Weg zu den heutigen Menschen?
Zeit ist immer eine menschliche Zeit. Wenn ich an Ostern anknüpfe, da wiederum an die Eucharistie, wäre Zeit so etwas wie die Gegenwart der leiblichen und auch durch das Leid hindurchgehenden Liebe Gottes. Gott fordert uns auf, dass wir in unserer Gegenwart an den konkreten Menschen mit ihren Freuden und Hoffnungen, ihrer Trauer und Angst, dranbleiben. Das gelingt uns manchmal besser, manchmal schlechter.
Zeitgenossenschaft heißt nicht einfach Angleichung und Anpassung. „Wer sich mit dem Zeitgeist verheiratet, erlebt sich schnell als Witwe/r“, hat Sören Kierkegaard gemeint. Was heute selbstverständlich ist, was alle bejahen, kann morgen schon ziemlich verkommen sein. Mir geht es um eine kritische und solidarische Zeitgenossenschaft.
Ein entkrampfteres Verhältnis zwischen Klerikern und Laien sowie gelöste Beziehungen zwischen Frauen und Männern haben Sie beim Amtsantritt ebenfalls als besondere Anliegen genannt. Was kann eine Diözese dazu beitragen?
Da geht es nicht um die Machtfrage: Wer darf was und wer steht wo? Das wäre des Evangeliums nicht angemessen. Darum geht es: Wie kann ich die Frohe Botschaft annehmen und zum Grundwort meines Lebens machen? Und wie nehme ich meine Sendung, meine Aufgabe, auch meine Sorge für andere wahr? Was trage ich zum Beispiel für meine Pfarrgemeinschaft bei? Da gibt es viel an Lebendigkeit, auch Konfliktpotenzial. Das ist aber nicht nur an diesen Schnittlinien so, sondern auch unter den Priestern. Früher hat man vom Erfolgsneid unter Klerikern gesprochen.
Sie wollen also Menschen herauslocken zu tun, was an Fähigkeiten in ihnen steckt?
Ja. Zum Beispiel für Verkündigung, die Vermittlung des Glaubens, für Diakonie, oder für das Beten. Das ist etwas Alltägliches. Darum geht es ja: dass heute das Evangelium unaufdringlich und durchaus mit einem kritischen Selbstbewusstsein gelebt und verkündet wird.