Die Pfarrkirche von Göckelberg im Böhmerwald ist eines von vielen Gotteshäusern, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wiederaufgebaut wurden. Doch Glöckelberg hat eine Besonderheit: Es ist die Pfarrkirche von P. Engelmar Unzeitig. Der Märtyrer der NS-Zeit wird im September 2016 seliggesprochen.
Die Pfarrkirche und die Trafik von der Frau Fuchs. Das sind die einzigen beiden Gebäude, die von Glöckelberg übrig blieben. 1989 waren sie Ruinen. Nach der Vertreibung der rund 1200 deutschsprachigen Bewohner/innen 1946 wurde der Ort wegen seiner Nähe zur österreichischen Grenze ein paar Jahre später gänzlich dem Erdboden gleichgemacht. Vom Langlaufzentrum Schöneben fährt man etwa drei Kilometer auf tschechischem Staatsgebiet und erreicht Glöckelberg. Heute sind aber nicht einmal mehr richtig die Schutthügel zu erkennen – das Einzige, das von den Häusern blieb. Längst ist alles überwuchert von bereits ansehnlichen Bäumen. Auch das Haus des Dorfschneiders. „Da genau über dem Schwemmkanal stand das Elternhaus meiner Mutter.“ Horst Wondraschek zeigt auf eine kleine Baumgruppe. Als Kind hat er von Krumau aus immer wieder seinen Großvater in Glöckelberg besucht. Mit den Stoffmustern zu spielen – das blieb ihm in Erinnerung – als Höhepunkt des Besuchs bei den Verwandten.
Dass sich der – nun pensionierte – Unternehmer aus Linz-Urfahr nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft in der Tschechoslowakei beim Renovieren der Kirche und des Friedhofs engagierte, lag für ihn auf der Hand. „Es ist doch die Heimat meiner Mutter.“ Und er gibt zu bedenken: „Wenn 45 Jahre Kommunismus und Atheismus, Frost und Regen die Kirche nicht zum Einsturz gebracht haben, dann dürfen wir sie nicht durch unsere Inaktivität verkommen lassen.“ Innerhalb von zwei Jahren von 1990 bis 1992, wurde unter seiner Leitung aus dem verfallenden Gotteshaus eine ansehnliche Kirche. Im Zuge der Arbeiten hat ihn seine Tante Erna auf einen besonderen Pfarrer von Glöckelberg aufmerksam gemacht: auf den Mariannhiller Missionar P. Engelmar Unzeitig. Nur ein halbes Jahr war der junge Priester in Glöckelberg tätig. Dann holte ihn am 21. April 1941 die Gestapo. Er hatte in der Schule auf verfängliche Fragen von Hitlerjungen klare Antworten gegeben. Das genügte, um ihn wegen „heimtückischer Äußerungen gegen das Reich“ und „Verteidigung der Juden“ ins KZ Dachau zu stecken.
Freiwilliger Pfleger
Als im KZ gegen Ende 1944 eine Typhusepidemie ausbrach, meldete er sich mit weiteren 20 Priestern freiwillig zur Pflege der Kranken, die von den SS-Wachmannschaften aus Angst vor Ansteckung ihrem Schicksal überlassen wurden. Es kam, wie zu erwarten war. P. Engelmar steckte sich an und verstarb am 2. März 1945, wenige Wochen vor der Befreiung des Lagers, im Alter von 34 Jahren. Von den knapp sechs Jahren seines Priestertums war er vier im KZ. „Nachdem ich mich mit seiner Biografie beschäftigt habe, war mir sofort klar, dass man diesem Priester ein Denkmal setzen muss.“ Wondraschek ließ von dem Künstler Josef Fischnaller ein Engelmar-Unzeitig-Fenster für die Stirnwand der Kirche gestalten – neben dem zweiten Fenster, das den Kirchenpatron Johannes Nepomuk zeigt. So wurde die Pfarrkirche Glöckelberg zu einem würdigen Ort der Erinnerung für P. Engelmar. Einige Glöckelberger können sich sogar noch an ihn erinnern. Johann Jungbauer war von seinem Religionsunterricht begeistert: In jede Stunde hat er eine Bildtafel mit einer Darstellung aus dem Alten Testament mitgebracht. Man spürte aus der Art des Unterrichts, dass er seine ganze Liebe und Kraft einsetzte, um den Kindern die Geschichte von der Schöpfung der Welt und der Liebe und Güte Gottes, aber auch die Gebote Gottes zu lehren. Es waren nur wenige Monate, in denen Jungbauer mit P. Engelmar in Kontakt war, aber die haben ihn geprägt. „Warum sonst könnte ich mich Jahrzehnte danach noch erinnern?“, betont er: „Ich wünsche mir innigst, dass P. Engelmar als Heiliger unserer Zeit und als Martyrer der Nächstenliebe zur Ehre der Altäre erhoben wird.“ Nun ist sein Wunsch in Erfüllung gegangen.
Der selige P. Engelmar Unzeitig
Papst Franziskus hat am 22. Jänner 2016 den Mariannhiller Missionar P. Engelmar Unzeitig offiziell zum Märtyrer erklärt. Da seine Urne in Würzburg beigesetzt ist, wird er dort, am 24. September 2016 im Würzburger Dom, selig gesprochen.
Am Samstag, 18. Juni 2016 findet die traditionelle Wallfahrt „Pater Engelmar Unzeitig“ der Mariannhiller Missionare statt. Treffpunkt ist um 13.30 Uhr am Grenzübergang in Sonnenwald. Der Weg führt entlang des Schwemmkanals nach Glöckelberg, wo um circa 15 Uhr Gottesdienst gefeiert wird.
Ein Besuch der Pfarrkirche Glöckelberg ist auch außerhalb von gestalteten Wallfahrten ein lohnendes Ziel. Ein kleines Museum im Mesnerhaus (Trafik der Frau Fuchs) dokumentiert die Geschichte von Glöckelberg, das Schicksal von P. Engelmar Unzeitig und die Biografie des Schriftstellers Johannes Urzidil.
- www.gloeckelberg.at, E-Mail: arge@gloeckelberg.at