Rund um den Prozess um Heinrich Gross, der in der Vorwoche wegen Verbrechen als NS-Arzt in Wien auf der Anklagebank gesessen hatte, kam auch der „Spiegelgrund“ wieder in die Medien. (Gross wurde für verhandlungsunfähig erklärt und der Prozess vertagt.)
Die ursprünglich als Heil- und Pflegeanstalt gegründete Einrichtung „Am Steinhof“ wurde in der NS-Zeit zu einem Ort des Schreckens. Geistig und körperlich behinderte Menschen galten damals als „unwertes Leben“ und wurden auf staatliche Anordnung getötet. „Euthanasie“ nannte man das entsprechende Programm.
Am Steinhof wurde schließlich eine „Kinderfachabteilung“ gegründet – „Am Spiegelgrund“. Innerhalb derer wurden Kinder für „wissenschaftliche Zwecke“ ermordet. Im „Spiegelgrund“ wurden auch „asoziale“ und „kriminell veranlagte“ Kinder und Jugendliche festgehalten, die den NS-Normen nicht entsprochen haben – Kinder aus sozialen Randgruppen oder Minderheiten.
Einer dieser Jugendlichen, Johann Gross, der zufällig so heißt wie der später hoch angesehene Arzt, hat nun seine Erinnerungen an die Zeit in der Anstalt als Buch herausgegeben. Er hatte als Zehnjähriger Geld aus der Sammlung für das Winterhilfswerk für Wurst „verwendet“, was für einige Jahre in NS-Erziehungsanstalten reichte. Ein erschüttender Bericht von einem der Opfer, die jahrelang geschwiegen haben über das, was sie selbst erlitten und gesehen haben. Gross beschreibt seine Erlebnisse nüchtern und lässt gleichzeitig die Anstrengung deutlich werden, die nötig war, sich in diesem System nicht brechen zu lassen. Die Spiegelgrund-Kinder wurden erst 1997 nach internationaler Diskussion als NS-Opfer anerkannt.
Johann Gross. Spiegelgrund. Leben in NS-Erziehungsanstalten. Mit einem Vorwort von Christine Nöstlinger, Ueberreiter Verlag, 158 Seiten, S 218,–.