In der katholischen Kirche werden Homosexuelle oft als Menschen zweiter Klasse behandelt. Kann das mit der Botschaft Jesu übereinstimmen? Das fragen sich Sylvia und Bernhard Baumgartner. Nicht zuletzt wegen ihres Sohnes.
Aus der Serie "Familienleben meistern" zur Familiensynode, Teil 4 von 6.
Ausgabe: 2015/41, Homosexualität, Baumgartner
06.10.2015 - Christine Grüll
Sylvia und Bernhard Baumgartner erinnern sich noch gut an den Abend, als ihnen ihr Sohn Florian mit 18 Jahren das erste Mal von seiner Homosexualität erzählt hat. „Ich habe mir gleich Sorgen gemacht“, sagt Sylvia Baumgartner, „aber nicht, weil er homosexuell ist. Sondern weil es für ihn so viel schwieriger sein wird, einen Partner zu finden.“ Seit diesem Abend sind mehr als 15 Jahre vergangen. Jahre, in denen Sylvia und Bernhard Baumgartner erkannt haben: Je offener sie über die „Lebens- und Liebesfähigkeit“ ihres Sohnes sprechen, desto leichter fällt es ihrer Umgebung, damit umzugehen.
Ein Weg im Zeichen des Glaubens
„Ich habe keine Berührungsängste mit dem Thema. Florian selbst hat uns das Freizeichen gegeben, darüber zu sprechen“, sagt Bernhard Baumgartner bei einem Gespräch in ihrem gemütlichen Haus in Hochburg-Ach. Der Hauptschul- und Betreuungslehrer im Pflichtschulbereich fühlt sich in seinem Glauben verankert und sieht mit Freude, dass auch Florian als Jugendseelsorger, Pastoralassistent und nun als Gefangenenseelsorger seinen Weg im Zeichen des Glaubens geht. Für die jungen Menschen wie die Firmlinge, mit denen Florian arbeitet, ist seine Homosexualität ganz selbstverständlich. „Florian ist halt so, genau wie andere blonde Haare haben“, sagt Sylvia Baumgartner, seit mehr als 30 Jahren Religionslehrerin im Bezirk Braunau. Wie ihr Mann hat sie die Erfahrung gemacht, dass Kinder und Jugendliche nicht in Klischees denken. Sie haben aber auch erfahren, dass es Menschen gibt, die Florian verletzen können. Vor einigen Jahren hat jemand von seiner Dienstgeberin in der Diözese Linz verlangt, ihn aus dem kirchlichen Dienst zu entlassen. Ein homosexueller Seelsorger, das darf einfach nicht sein. Das hat die Eltern in große Sorgen gestürzt: „Ich weiß um seine Sensibilität und um seine Liebe zu dieser Kirche. Es würde mir wehtun, wenn diese Liebe zerstört würde“, sagt Bernhard Baumgartner. Eine andere Sorge galt Florians Großeltern. Wie würde eine Generation, der Homosexualität als eine Straftat eingetrichtert wurde, die Nachricht aufnehmen?
In Liebe verbunden
Sylvia Baumgartners Vater, geboren 1931, war Polizist. Noch bis Anfang der 1970er Jahre wurden homosexuell liebende Menschen eingesperrt. Doch als Florian mit seinem Großvater sprach, antwortete dieser: Egal, was du bist, wir haben dich immer gern. „Wenn die meisten über lesbische und schwule Menschen reden, reden sie über irgendjemand. Wenn man aber emotional mit dem Menschen verbunden ist, spielen Vorurteile keine Rolle mehr“, betont Bernhard Baumgartner. Das erwartet er auch von der Amtskirche: „Meine Kirche beruft sich auf Jesus. Wenn sie jemanden für eine Gabe, die ihm in die Wiege gelegt wurde, ausschließt, ist das nicht jesuanisch.“ In der Familie Baumgartner mit zwei Söhnen und einer Tochter wurde immer kritisch über das gesprochen, was Mensch- und Christsein ausmacht und was mit der Botschaft Jesu übereinstimmt. Deshalb stellte sich nicht die Frage, was die anderen oder „die Kirche“ über Florian sagen. Sondern das eigene Gewissen. „Und das hat gesagt, nimm Florian in den Arm und sag ihm: ,Es ist gut, dass du da bist.‘“ Ihre Überzeugung hat es den Eltern Baumgartner leicht gemacht, Florian Rückhalt zu geben. Dass die Baumgartners so klar über ihre Gefühle sprechen, könnte auch anderen Eltern eine Sprache geben. Das hoffen sie. Und dass sich die Menschen nicht mehr anmaßen, über Homosexuelle zu urteilen, sagt Sylvia Baumgartner: „Jesus vergibt sogar Sündern – und Homosexualität ist fern von jeder Art von Schuld. Da passt es für mich nicht zusammen, dass die Nachfolger Jesu über Menschen, die so geboren wurden, urteilen.“
Ewige Treue
Was hält die Botschaft Jesu aus? In der Diözese Linz schon einiges: Florians Dienstgeberin hat sich bei dem Vorfall vor ein paar Jahren sehr deutlich hinter ihn gestellt. Sie wusste von seiner Homosexualität und die war für sie kein Thema. Das lässt Sylvia und Bernhard Baumgartner optimistischer in die Zukunft blicken. Ihren drei Kindern wünschen sie, dass sie glücklich sind. In ihrem Beruf und in einer Beziehung. Deshalb freuen sie sich, wenn Florian einen Partner findet – wenn er das möchte. Und den solle er auch mit dem Segen von Staat und Kirche heiraten dürfen. „Denn in erster Linie zählt die Liebe.“
Familiensynode
Der Umgang der Bischofssynode mit dem Thema Homosexualität wird in der Öffentlichkeit der Kirche und darüber hinaus sehr genau verfolgt. Es handelt sich um einen der besonders heiklen und umstrittenen Punkte. Am Ende der „Vorsynode“ 2014 erhielt der betreffende Absatz in der abschließenden „Relatio“ keine Zweidrittel-, aber eine absolute Mehrheit der Stimmen der Bischöfe (118 ja, 62 nein).
Kirche und Homosexualität
Dort hieß es: „Einige Familien machen die Erfahrung, dass in ihrer Mitte Menschen mit homosexueller Orientierung leben. Diesbezüglich hat man sich gefragt, welche pastorale Aufmerksamkeit in diesen Fällen angemessen ist, indem man sich auf das bezog, was die Kirche lehrt: Es gibt keinerlei Fundament dafür, zwischen den homosexuellen Lebensgemeinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen, auch nicht in einem weiteren Sinn. Dennoch müssen Frauen und Männer mit homosexuellen Tendenzen mit Achtung und Feingefühl aufgenommen werden. Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen.“ Politischer Druck zur Anerkennung der „Homo-Ehe“ wird zudem kritisiert. Im Arbeitspapier für die heurige Synode wurde dann ergänzt: „Es wird bekräftigt, dass jeder Mensch, unabhängig von der eigenen sexuellen Orientierung, in seiner Würde geachtet und sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft mit Sensibilität und Takt aufgenommen wird. Es wäre wünschenswert, wenn die diözesanen Pastoralpläne der Begleitung der Familien, in denen Menschen mit homosexuellen Tendenzen leben, und diesen Menschen selbst eine besondere Aufmerksamkeit schenken würden.“