Flachs ist nach Seide und Ramie die hautverträglichste natürliche Faser, betont Stefan Fölser in der Stube eines alten Bauernhofes in St. Johann am Wimberg. Seit einigen Jahren wird hier Flachs aufbereitet. Fölser und Martin Mahringer, sein Nachfolger, sind die letzten Flachsaufbereiter weit über Österreich hinaus.
Ausgabe: 2014/40, Flachs, Fölser, Mahringer
30.09.2014 - Ernst Gansinger
Martin setzt die von Fölser selbst gebauten Maschinen in Betrieb. „Bei uns staubt es, aber das ist beim Holz auch so“, schickt er voraus, bevor mich Stefan Fölser durch die Produktionsräume führt. „Nur Holz staubt nicht mehr, wenn du es weiterschlichtest“, setzt Mahringer fort. „Flachs und Hanf brauchen dazu noch weitere Verarbeitungsschritte.“
Alter Beruf
Ja, es staubt. Aber es ist faszinierend, dass so ein alter Beruf bei uns noch gepflegt wird und sogar wieder ein bisschen Fuß fasst. Ohne die Aufbereitung von Flachsfaser wäre die Herstellung natürlicher Flachsfaser-Kleidung wie auch die Verarbeitung von Flachs für Materialien, die man am Bau braucht, etwa zum Dämmen oder als Schüttmaterial unter dem Estrich, nicht möglich.
Trocknen, rösten
Was aus dem Flachs werden soll, hat von Anfang an Konsequenzen. Dem etwa Ende August geernteten Flachs werden durchs Dreschen die Dolden abgenommen. Daraus wird Öl gepresst. Auch Bäcker und Müsli-Erzeuger brauchen den Samen. Nach dem Dreschen werden die Stängel abgemäht und liegen gelassen. Zwei, drei Tage, wenn die Flachsfaser zur Dämmung oder für Schüttmaterial verarbeitet werden soll. Nach dem Trocknen presst der Bauer die Stängel wie Heu in Ballen. Tauröste wird eine andere, längere Trocknungs-Methode für Faser-Lein genannt. Der Flachs bleibt drei, vier Wochen auf den Feldern liegen und muss mehrmals gewendet werden. Flachsverarbeitung ist eine aufwändige und vielschichtige Arbeit. Viele berufliche Tätigkeiten sind dabei notwendig: anbauen, ernten, aufbereiten, spinnen, färben, weben, waschen, wälzen, nähen.
Gebündelte Naturkraft
Zurück zur Aufbereitung der Flachsfaser: Im alten Bauernhof laufen mehrere Maschinen, alle hat Stefan Fölser aus landwirtschaftlichen Geräten umgebaut. Etwa die Karde fürs Cottonisieren, also für die Aufbereitung der Flachsfaser für eine gemeinsame Verarbeitung mit Baumwolle, oder den Häcksler zum Einkürzen des Flachsstängels oder die Hammermühle und den Faser-Separator. Martin Mahringer arbeitet mit Mundschutz und Gehörschutz. Aus den großen Bündeln, die die Landwirte übers Jahr anliefern, nimmt er die getrocknete Flachsfaser und schickt sie durch die Maschinen. Am Ende fängt ein Behälter auf, was gewonnen wurde: Dämmmaterial etwa. Die flauschige Masse wird später am Bau in Hohlräume hineingeblasen. Die letzten beiden Aufbereiter haben übers ganze Jahr alle Hände voll zu tun, denn die Nachfrage steigt. So beschäftigt Stefan Fölser inzwischen schon vier Näherinnen, die Flachsfaser, 50 : 50 mit Baumwolle gemischt, zu Jeans verarbeiten.
Zum Thema
Flachs-Verarbeitung
Flachs wurde in Österreich vor dem Ersten Weltkrieg auf 9000 Hektar Fläche angebaut. Dann sank die Fläche auf 60 Hektar. Heute sind es immerhin schon wieder 600 Hektar. Fölser wird von etwa 15 Bauern beliefert, die meisten aus dem Mühlviertel, zwei auch aus dem Innviertel. 1996 hat Stefan Fölser, der sich schon einige Jahre mit der Verarbeitung von Flachs beschäftigt hat, 160 Paar Socken auf der Gesundheitsmesse Ahorn verkauft. Das war Motivation weiterzumachen. Mittlerweile müssen sich Kunden, die an natürlicher Kleidung Interesse haben und bei ihm Jeans bestellen, auf drei Monate Wartezeit einstellen. Fölser hat einen Nachfolger gesucht und ihn in Martin Mahringer, der aus ganz anderen Berufen kommt, gefunden. Beide haben einen Hang zur bodenständigen, einfachen und nachhaltigen Wirtschaft.