Es war Liebe, sagten beide später. Doch anfangs war es Lust, angefeuert von einem Augenblick.
Ausgabe: 2013/26, David, Batseba, Lust
26.06.2013 - Georg Magirius
Tatsächlich war es ein Blick aus Davids Augen, der alles zum Pulsieren brachte. Jahrelang hatte David für seinen Aufstieg geschuftet: Er war getrieben, verfolgt, lebte auf dem Sprung. Endlich war er König. Auf dem Ruhmesgipfel angelangt, beschloss er, sich mit der Muße anzufreunden. So war das Kriegsheer ohne ihn ins Feld gezogen. Nicht dass er nun in Rente ging, alt war er noch lange nicht. Nur hatte er die erste große Lebensetappe hinter sich, was an Leistungssportler denken lässt, die nach Jahren der Anspannung froh sind, endlich einmal durchzuatmen.
Von großer Schönheit
David döste vor sich hin, stand immer später auf. Die Muße mischte sich mit Langeweile, nur schwer kam der Kreislauf in Schwung. Und es begab sich, dass David erst um den Abend aufstand von seinem Lager und sich auf dem Dach des Königshauses erging; da sah er vom Dach aus eine Frau sich waschen; und die Frau war von sehr schöner Gestalt. Davids Langeweile? Wie weggeblasen! Und er sandte hin und ließ nach der Frau fragen, und man sagte: Das ist doch Batseba, die Tochter Eliams, die Frau Urias, des Hetiters. Damit war sie unantastbar – auch für einen König. Andererseits: Batsebas Mann war im Krieg, also dort, wo der König lang genug gewesen war. Und David sandte Boten hin und ließ sie holen. (2 Sam 11,2–4)
Es überfiel sie Lust
Traumartig war ihr Bild in Davids Augen gesunken. Solche Schönheit lässt sich normalerweise nur aus der Ferne betrachten, nahe kommt man dem Bild vielleicht im Kino. Doch immer gilt: Berühren unmöglich. David ließ aus dem Traum Wirklichkeit werden. Später sagten sie: Es war Liebe. Doch was sie zusammenbrachte, war der Reiz des Unbekannten. Macht und Schönheit spielten eine Rolle, es überfiel sie die Lust. Und als sie zu ihm kam, wohnte er ihr bei; sie aber hatte sich gerade gereinigt von ihrer Unreinheit. Und sie kehrte in ihr Haus zurück. Und die Frau ward schwanger und sandte hin und ließ David sagen: Ich bin schwanger geworden. (2 Sam 11,4.5)
Unrecht getan
Batseba war eine Frau, die geschickt agieren konnte. Sie ließ sich nicht vom König lieben, um dann zu ihrer Schande ein Kind auszutragen. Nun war David am Zug. Rasch wurde Ehemann Uria aus dem Krieg heraus der Weg ins Schlafzimmer seiner Ehefrau geebnet. Umsonst: „Ich nächtige wie alle Kämpfer unter freiem Himmel“, sagte Uria. Wenn dieser Mann so heldenhaft ist, dachte David, soll er ruhig noch mehr zum Helden werden: „Uria wird im Kampf weit vorn stehen“, lautete der Befehl, Todesgefahr im Krieg sei ja nichts Ungewöhnliches. Aus der Gefahr wurde Wirklichkeit. Als Batseba hörte, dass ihr Mann Uria tot war, hielt sie die Totenklage um ihn. Sobald sie aber ausgetrauert hatte, sandte David hin und ließ sie in sein Haus holen, und sie wurde seine Frau und gebar ihm einen Sohn. (2 Sam 11,26.27)
Wechsel mit „Rucksack“
Rasant wechselte Batseba aus der einen Ehe in die nächste. Und David, der Bräutigam, befand sich noch in Partnerschaften, die ihm nie nebensächlich gewesen waren. Diese Ehe schien enormen Ballast aus der Vergangenheit mit sich zu tragen. Wie sollte sie gelingen? David stellte sich die Frage nicht. Er war stolz auf die ins Haus geholte Schönheit und blind dafür, wie er sie gewonnen hatte. Auf der Hochzeit wurde getuschelt. An manchem Gästetisch kursierten die Gerüchte um die Verfehlungen des Paares. Und es wurde der Partner gedacht, die zugunsten der nun fröhlich gefeierten Ehe auf der Strecke geblieben waren. Auch Gott schien bei der Hochzeit am Tisch derer zu sitzen, die die Vergangenheit nicht übergehen wollten: Dem Herrn missfiel die Tat, die David getan hatte. (2 Sam 11,27); er zürnte.
Ganz abgeschrieben? Nicht bei Gott
Und der Herr schlug das Kind, das Urias Frau David geboren hatte, sodass es todkrank wurde. Und David suchte Gott wegen des Knaben auf und fastete, und wenn er heimkam, lag er über Nacht auf der bloßen Erde. (2 Sam 12, 15.16) Der Vater fühlte sich ohnmächtig, ohne jede Kraft: Wäre er doch nur selbst getroffen worden! Nichts schien geblieben von der Euphorie und Leichtigkeit jenes Abends, als David Batseba beim Bade sah und ihm Schönheit nahe kam. Was in jener Nacht ins Leben gerufen wurde, starb. Das Kind hörte auf zu atmen. Da stand David von der Erde auf und wusch sich und salbte sich, zog andere Kleider an und ging in das Haus des Herrn und betete. Als er wieder heimkam, ließ er sich Speise auftragen und aß. (2 Sam 12,20) Davids Essen war ein gefundenes Fressen für jene, die sich durch den Tod des Kindes bestätigt sahen: Was aus Lust allein geboren ist, kann keine Zukunft haben. Batseba, David und nun auch Gott selbst dachten aber anders. Als David seine Frau Batseba getröstet hatte, ging er zu ihr hinein und wohnte ihr bei. Und sie gebar einen Sohn, den nannte er Salomo. Und der Herr liebte ihn. (2 Sam 12,24)