Schön sind sie nicht – Rosenstöcke im Winter. Unansehnlich sogar – und trotzdem hütet man sie. Man weiß: In ihnen steckt die Wurzelkraft für das nächste Jahr. Ein Leitartikel von Matthäus Fellinger.
Ausgabe: 2017/40
03.10.2017 - Matthäus Fellinger
Herbst ist es geworden. Die Zeit des Blühens geht dem Ende zu – auch für den Rosenstrauch. Das Blattwerk, das in der Sommerwärme so prächtig gedieh, vergilbt, fällt ab, verrottet. Noch vor dem Winter wird man sein Astwerk kürzen. Nur was nahe den Wurzeln wächst, bleibt.
Schön sind sie nicht – Rosenstöcke im Winter. Unansehnlich sogar – und trotzdem hütet man sie. Man weiß: In ihnen steckt die Wurzelkraft für das nächste Jahr.
Gutes, wirklich Bedeutsames hat seinen Wert nicht nur, wenn es prächtig dasteht. Das gilt auch für die Sorge, die viele für ihre Kirche empfinden: Was ist nur aus dem „Rosenstrauch“ geworden, der einmal so prächtig dastand? Vieles, was im Sonnenschein einer wohl gesonnenen Gesellschaft üppig gedeihen konnte, ist abgefallen. Rauere Winde durchwehen das Umfeld. Blüten sind rar geworden.
Aber der Stock steht da und man soll auf ihn achten. Es lohnt sich, ihn auch in seiner Kargheit zu hüten, denn in ihm steckt die Wurzelkraft für das Neue. Kraft nämlich, die standhält. In der Aufmerksamkeit für den Nächsten, in der Wachheit auf Gott hin besteht sie gegen eine bloß auf den eigenen Nutzen bedachten Selbstgenügsamkeit. Es ist eine Wurzelkraft, die sich aus einer Tiefe nährt, aus dem Grundwasser der Gotteshoffnung, dem Grund allen Blühens. Man nennt es auch Gnade.