Handys und Smartphones haben die Alltagswelt erobert. So beliebt sie sind, so werden sie doch auch als große „Nervensägen“ empfunden, wenn damit öffentlich telefoniert wird.
Man könnte die Landschaft genießen oder lesen – aber es geht nicht. Der Sitznachbar hat sein Büro offensichtlich in die Bahn verlegt – und telefoniert unentwegt. Und weil er sich den Aufpreis für ein Business-Abteil nicht leisten will, tut er es im offenen Zweite-Klasse-Abteil. So vertieft ist er in die Sache, dass er keinen Gedanken darauf verwendet, welche Schlüsse seine Sitznachbar/innen über das Betriebsklima in seiner Firma ziehen, das aus seinem Gesprächston deutlich wird. Zwei Abteile weiter wird auch telefoniert – sehr lange und sehr privat.
Man kann nicht weghören
Telefonieren im öffentlichen Raum nervt. Kaum jemand kann sich einem unfreiwillig zugemuteten Telefongespräch entziehen. Das menschliche Gehirn – so hat die US-Amerikanerin Veronica Galvan in einem groß angelegten Versuch gezeigt – zieht die Aufmerksamkeit unfreiwilliger Zuhörer/innen viel stärker auf sich, als es bei einem mitgehörten Gespräch unter anwesenden Personen der Fall ist. Weil man beim mitgehörten Telefonat immer nur eine Hälfte hört, versucht das Gehirn ständig, auch den nicht gehörten Gesprächsanteil herauszufinden. Das Gespräch wird insgesamt als störend und nervend empfunden. Eine echte Belästigung also.
Privates im öffentlichen Raum
Die Zeiten, da man zum Telefonieren in eine Telefonzelle ging und darauf achtete, dass niemand zu nahe tritt, sind längst vorbei. Niemand wollte sich belauscht wissen. Inzwischen nutzen Menschen ihre als „tot“ empfundenen Zeiten in Bussen und Straßenbahnen zum Telefonieren – um noch etwas zu erledigen oder um sich schlicht und einfach die Zeit zu vertreiben – zum Leidwesen der Mitreisenden, die aus einer solchen Situation ja oft nicht einfach flüchten können. Dem Telefon wird der Vorrang beigemessen – und es unterbricht jedes echte Gespräch unter Leuten. Warum eigentlich?
Nervende Klingeltöne
Es sind nicht nur die Gespräche selbst, die nerven. Die elektronischen Klingel- und Signaltöne, die ein Smartphone von sich gibt, erzeugen eine als ebenfalls sehr unangenehm empfundene Geräuschkulisse. Nach einer Untersuchung in Deutschland fühlen sich rund zwei Drittel der Leute durch öffentliches Telefonieren – zumindest häufig – gestört, die meisten ärgert dabei schon das Handyklingeln. Trotzdem: Die Deutschen lieben ihre Handys. Der weltgrößte Hersteller von Computerchips INTEL hat herausgefunden: Die Deutschen und Holländer sind jene, die sich am stärksten von Handylärm gestört fühlen. Schweden haben damit hingegen kaum ein Problem.
Der rücksichtsvolle Umgang mit diesem Gerät, das wie kein anderes das Kommunikationsverhalten der Menschen verändert hat, hat mit der technischen Entwicklung nicht Schritt gehalten. Die Leute müssen erst lernen, mit der jetzigen Situation angemessen umzugehen.
Zum Thema
Handy-Knigge
In Internetforen, aber auch in zahlreichen Zeitungsartikeln, wird der Ruf nach einer Art „Knigge“ für Handy-Benutzer immer lauter. Telefonieren braucht Benimmregeln. Auch der Begriff „Handyquette“ (aus: Handy + Etikette) wird dafür verwendet. Folgende Vorschläge werden u.a. genannt:
In öffentlichen Verkehrsmitteln nur kurze Telefonate führen.
In der Öffentlichkeit generell leise telefonieren.
Das Handy lautlos stellen, wo Sie nicht telefonieren möchten.
Es ist unhöflich, ein reales Gespräch durch ein Telefonat zu unterbrechen, das auch später geführt werden kann.
In Restaurants am Tisch zu telefonieren ist verpönt. Zum Telefonieren den Raum verlassen.
Störende Tastentöne etwa beim Spielen mit dem Smartphone auf lautlos stellen.
Man darf ruhig zu erkennen geben, wenn man sich gestört fühlt.