Frauen in Kenia zu stärken, ihnen das Rüstzeug zu geben, ihr Leben selbstbewusst in die Hand zu nehmen und sich aus der Armutsspirale zu befreien – das hat sich die Frauen-Graswurzel-Bewegung „Groots Kenya“ zur Aufgabe gemacht. Bildung ist dabei ein ganz wichtiger und zentraler Punkt.
Ausgabe: 2017/17
25.04.2017
Als Frau in Kenia Land und Vieh zu besitzen, ist kaum möglich. Ackerflächen werden traditionell nur an männliche Erben weitergegeben. Aber nicht nur in diesem Bereich ist die Lage der Frau in dem ostafrikanischen Land mit rund 47 Millionen Einwohnern schwierig. Viele von ihnen sind konfrontiert mit Benachteiligungen, mit Gewalt, mit Zwangsbeschneidung, mit mangelnder medizinischer Versorgung vor allem auf dem Land, mit schlechten Bildungsmöglichkeiten und in Folge mit Arbeitslosigkeit, Armut und fehlenden Perspektiven für die Zukunft.
Geld verdienen
Esther Mwaura-Muiru kennt die prekäre Situation von Frauen in Kenia. Sie selbst ist gemeinsam mit ihren vier Geschwistern in von Armut geprägten Verhältnissen in Rironi, einem Dorf in den White Highlands, aufgewachsen. Ihr Vater, ein Holzkohlearbeiter, starb früh, da war Esther noch ein Kind. Eine eigene Farm besaß die Familie nicht. Also arbeitete Esther bereits mit zwölf Jahren vor Beginn der Schule und danach auf landwirtschaftlichen Flächen in der Nachbarschaft, pflückte Obst und erntete Gemüse; oder sie verdiente Geld als Hausmädchen. Ihr Glück war, dass sie eine katholische Schule der Loreto-Schwestern besuchen konnte, die ihre Bildung förderten. Sie lernte, selbstbewusst über sich und die verschiedensten Themen zu sprechen und auch, wie wichtig die Solidarität mit Menschen in Armut ist. Schließlich wurde es für sie möglich, in Nairobi zu studieren. „Das war damals das erste Mal, dass ich in die Hauptstadt kam, obwohl sie nur 38 Kilometer von unserem Dorf entfernt lag“, sagt die Kenianerin.
Graswurzel-Bewegung
Mehr und mehr hatte Esther Mwaura-Muiru das Bedürfnis, an der Lage von Frauen, die in Armut leben, und an der ihnen zugewiesenen benachteiligten traditionellen Rolle in der Gesellschaft etwas zu verändern. Klar war für sie aus eigener Erfahrung, dass Bildung ein Schlüssel aus der Armutsspirale ist. So nahm sie 1995 an der Weltfrauenkonferenz in der chinesischen Hauptstadt Peking teil und gründete in Folge die Frauen-Graswurzel-Bewegung „Groots Kenya“, die sie aktuell auch leitet. Die Organisation hat sich zur Aufgabe gemacht, Frauen in armen ländlichen Gemeinden und in den Slums der Städte von der Basis, sprich von der Wurzel her, zu stärken und ihnen Führungsqualitäten zu vermitteln, damit sie ihr Leben und ihre Entwicklung selbst in die Hand nehmen und zum Positiven verändern können. „Groots Kenya“ ist in 14 von 47 Bezirken Kenias tätig; es entstand im Laufe der Zeit ein Netz von insgesamt mehr als 3500 Selbsthilfegruppen, die von Graswurzel-Frauen in ihren jeweiligen Dörfern und Gemeinden geführt werden.
Zugang zu Land
Ein großer Bereich der Arbeit von „Groots Kenya“ liegt darin, den für Frauen schwierigen Zugang zu Land zu ermöglichen und sie in der Landwirtschaft zu unterstützen. In theoretischen und auch praktischen Trainings, Schulungen und Kursen wird ihnen vermittelt, wie sie eine höhere Produktivität erzielen, wie sie qualitativ hochwertiges Saatgut und verschiedenste Sorten anbauen, wie sie natürlich düngen, wie sie ihr Verhandlungsgeschick fördern, um ihre Produkte wie Obst, Gemüse, Hühner und Milch gut zu vermarkten und zu verkaufen. Sie lernen außerdem darauf zu achten und dafür zu sorgen, dass die Nahrungsmittelsicherheit in den Dörfern gegeben ist.
Unterstützung
Wie wichtig der Stellenwert der Landwirtschaft ist, muss den Frauen in Kenia immer wieder bewusst gemacht werden. „Vielen ist das hier in unserem Land noch nicht so klar wie etwa den Frauen in Österreich“, sagt Esther Mwaura-Muiru. Die Projektpartnerin von HORIZONT3000 war vor kurzem in Österreich, um über ihre Arbeit zu berichten und auf die Situation der Frauen in Kenia aufmerksam zu machen. Mit Hilfe von Experten und Fachleuten der Österreichischen Organisation für Entwicklungszusammenarbeit werden unter anderem Projekte in Kenia unterstützt.
Aids
Gefördert wird von „Groots Kenya“ auch eine politische Teilhabe der Kenianerinnen als Trägerinnen einer nachhaltigen Entwicklung. Darüber hinaus engagieren sich die Graswurzel-Frauen in den Gemeinden dafür, Strategien zu entwickeln im Hinblick auf Hungerkrisen und den Klimawandel und setzen sich dafür ein, das Thema HIV/Aids zu enttabuisieren. „Wir stehen den Aids-Kranken und Aids-Waisen mit Rat und Tat zur Seite. Sie werden stark stigmatisiert und ausgegrenzt – dagegen kämpfen wir an“, sagt Esther Mwaura-Muiru.
Liebe zur Arbeit
Die Arbeit von „Groots Kenya“ ist nicht leicht. Vor allem die Zusammenarbeit mit der politischen Klasse fordert heraus. „Menschen, die für ihre Belange eintreten und ihre Stimme erheben, sind unbequem. Das ist nicht erwünscht“, merkt Esther Mwaura-Muiru kritisch an. Doch sie liebt ihre Arbeit. Sie hat ihr Leben nachhaltig verändert. Und das Leben vieler anderer Frauen. „Wenn du sie stärkst, ermächtigst, förderst, ihnen ermöglichst, ihre Potentiale zu erkennen und zu nutzen und ihnen das entsprechende Rüstzeug vermittelst, werden die Frauen aktiv, treffen Entscheidungen für ihre weitere Entwicklung und finden einen Weg aus der Armutsspirale“, sagt die Kenianerin. Beispiele dafür, dass das gelingen kann, sind Salome und Atsami. Beide haben sich in ihrem Dorf Kuresoi North mit Hilfe von „Groots Kenya“ trotz aller Widerstände ihr eigenes Land gekauft, dass sie bestellen und deren Ernteerträge sie gewinnbringend verkaufen. «