„Das ist dramatisch für jemanden, der Arbeit sucht“
Mit der Aktion 20.000 will das Sozialministerium Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose fördern. Altenberg bei Linz ist eine der Gemeinden, in denen das Projekt starten soll. „Wenn jemand lange Arbeit sucht, geht es der ganzen Familie nicht gut“, sagt Bürgermeister Ferdinand Kaineder.
Ausgabe: 2017/17
25.04.2017 - Christine Grüll
Ist Arbeitslosigkeit ein Thema in Ihrer Gemeinde?
Ferdinand Kaineder: Es gibt immer wieder arbeitslose Menschen in der Gemeinde, ältere und auch junge. Das liegt aus meiner Sicht daran, dass die geforderten Qualifikationen oft nicht da sind. Heute verlangt man, dass jeder alles können soll. Für junge Leute, die gerade eine Lehre über die Bühne gebracht haben, ist es schwierig. Viele Unternehmen wollen ausgebildete Leute haben, mit Erfahrung und Praxis. Aber es muss ja jemand noch lernen dürfen. Und die Älteren sind manchmal für den Betrieb zu teuer geworden oder haben Probleme mit der Flexibilität.
Was halten Sie von sozialen Projekten wie die Aktion 20.000?
Kaineder: Aus meiner Sicht ist das ein gutes Projekt, auch weil es parteiübergreifend in der Regierung beschlossen wurde und man Möglichkeiten für Leute über 50 schafft. Aber es wird schwierig, sie in den Gemeinden unterzubringen, ohne dass man einem anderen den Arbeitsplatz wegnimmt. Im kommunalen Bereich werden die Positionen über den Dienstpostenplan besetzt. Darüber hinaus gibt es sicher oft Engpässe beim Personal, zum Beispiel im Sommer im Bauhofbereich. Aber im Rahmen der Aktion 20.000 soll jemand das ganze Jahr über Beschäftigung haben und für 30 Stunden oder sogar Vollzeit eingesetzt werden. Ich könnte mir vorstellen, dass man gemeindeübergreifend etwas austüftelt. Im Pilotbezirk Urfahr-Umgebung sollten sich alle Bürgermeister und Amtsleiter treffen.
Arbeitslosen wird oft unterstellt, dass sie nicht arbeiten wollen. Was sagen Sie dazu?
Kaineder: Jemand, der Arbeit hat, sagt oft leichtfertig: Wer Arbeit will, bekommt sie auch. Aber man sieht nicht, wie schwer es ist, in den Arbeitsprozess hineinzukommen. Einen gewissen Teil der Arbeitslosen wirst du nicht auf den Arbeitsmarkt bringen. Die meisten aber schreiben manchmal 100 Bewerbungen und bekommen keine Antwort. Man kann sich oft nur per Mail bewerben und bekommt eine lapidare Absage oder gar keine Rückmeldung. Das ist dramatisch für jemanden, der Arbeit sucht. Da fehlt es an Respekt. Deshalb schätzen sich Menschen oft selbst gering und fragen sich: Kann mich keiner mehr brauchen? Dann freut es einen nicht mehr, sich zu bewerben. Jeder Mensch hat einen Wert, gleich welcher Ausbildung. Und den Wert sollte man schätzen.
Zur Sache
Aktion 20.000
Im Rahmen der „Aktion 20.000“ der Bundesregierung sollen insgesamt 20.000 Arbeitsplätze pro Jahr für langzeitarbeitslose Menschen über 50 gefördert werden. Rund 2.000 davon sind in Oberösterreich vorgesehen. Im Juli soll in den Bezirken Linz und Urfahr-Umgebung die erste Phase starten. Dabei wird das Potential in ländlichen und städtischen Gebieten erfasst. Ab 2018 soll die Aktion österreichweit zum Einsatz kommen. Zur Zeit wird innerhalb der Regierung noch über Details diskutiert.
Tag der Arbeitslosen
Am 1. Mai wird der Tag der Arbeit begangen. Der 30. April hingegen lädt dazu ein, an jene Menschen zu denken, die keinen Arbeitsplatz haben. Zahlreiche Organisationen wollen darauf aufmerksam machen, dass durch die ständig steigende Arbeitslosigkeit die Würde von arbeitslosen Menschen in Gefahr gerät. Arbeit stiftet Sinn und trägt zur Persönlichkeitsentwicklung bei. Über Erwerbsarbeit und Einkommen werden Menschen bewertet. Dementsprechend wird arbeitslosen Menschen ein Wert abgesprochen. Ihnen wird signalisiert, dass sie nicht gebraucht werden. Jährlich finden um den 30. April österreichweit Kundgebungen statt. Heuer sind Respekt und Wertschätzung gegenüber arbeitslosen Menschen die zentralen Themen.