Maria leidet seit vielen Jahren an starken Depressionen. Nach einem Selbstmordversuch und dem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik ist sie einigermaßen stabilisiert. Doch die Krankheit ist weiterhin eine Belastung für ihren Mann Robert und für ihre Beziehung.
Marias Erkrankung steht ständig im Mittelpunkt, umgeben von Unsicherheit, Angst, Wut und Scham. Aus dem Wunsch, dass alles wieder so werden möge wie vorher, entsteht oft selbstlose Aufopferung des Partners und die Übernahme übermäßiger Verantwortung. Viele Partner haben die Hoffnung, so ihre/n geliebte/n Partner/in retten zu können.
Selbstaufgabe
Robert fühlt sich zur Gänze für das Leben von Maria verantwortlich und stimmt sein Leben komplett darauf ab, was Maria braucht. Er geht nicht mehr fort, nicht einmal mehr ins Fußballtraining.
Das wiederum verstärkt die Hilflosigkeit von Maria. Sie fühlt sich von Robert abhängig. Sie hat ihr eigenes Leben nicht mehr in der Hand. Die Balance ist aus dem Gleichgewicht gekommen. Maria und Robert haben keine gleichwertige Beziehung mehr miteinander, sondern eher eine wie Tochter und Vater.
Not-wendige Maßnahmen
Sie haben zum Ziel, ein wirkliches und erfülltes Leben mit/trotz Krankheit zu leben und sich nicht durch die Krankheit auf die Schmalspurbahn des Lebens verdrängen zu lassen.
Der psychisch kranke Mensch muss insoweit Verantwortung für seine Krankheit übernehmen, als er Maßnahmen setzt, um die Krankheit zu lindern oder zu heilen. Er sollte sich in eine geeignete Psychotherapie begeben, bei einem Psychiater abklären, welche Medikamente notwendig sind, und diese auch einnehmen. Darüber hinaus ist es „not-wendig“, dass der Partner/die Partnerin - die Grenzen der eigenen Handlungsmöglichkeiten erkennt. - lernt, wie viel und welche Hilfe der Partner/die Partnerin braucht und welche Hilfe kontraproduktiv und schwächend wirkt; - sich ganz bewusst Auszeiten nimmt und seine/ihre Hobbys weiter pflegt. Er/Sie kann nur helfen, wenn er/sie die Kraft dazu hat; - lernt, eigene Gefühle wie Überforderung, Angst, Wut sowie eigene Wünsche und Bedürfnisse wahrzunehmen, diese auszusprechen, damit sie auch erfüllt werden können; - und der/die psychisch Erkrankte alle Hilfen annehmen, die möglich sind, von der Putzfrau bis zur Selbsthilfegruppe; - und die psychisch kranke Person in Kontakt und „normaler“ Kommunikation bleiben: Es besteht die Gefahr, dass die Partner einander verschonen.
Robert erzählt z.B. kaum mehr etwas aus der Firma, weil er Maria nicht belasten will. Maria hat wiederum das Gefühl, dass er sie nicht mehr an seinem Leben teilhaben lassen will. Hilfreich ist, wenn die Partner sich möglichst normal über den Alltag austauschen können, nicht immer nur über ihre Probleme reden, sondern darüber, was sie in dieser Welt als Menschen interessiert, beschäftigt, freut, ärgert etc.
Hilfe von außen
Angehörige von psychisch kranken Menschen brauchen viele Informationen, die ihnen Sicherheit und Orientierung bieten.
- Informationen über die Krankheit, um die Welt des Partners/der Partnerin verstehen zu lernen.
- Finanzielle Informationen über Rechtsansprüche (Berufsunfähigkeitspension, Sozialhilfe, erhöhte Familienbeihilfe, Mitversicherung, Pflegegeld, …).
- Informationen und Kontaktmöglichkeiten zu therapeutischen Einrichtungen wie Krankenhäuser, Tageskliniken, Psychiater, Psychotherapeuten, …
Sehr gute und hilfreiche Informationen bieten zwei Homepages:
www.hpe.at: Hilfe für Angehöriger psychisch Kranker: Hier finden Angehörige viele wichtige Informationen zum Thema sowie auch alle Angebote von Selbsthilfegruppen und Beratung.
www.verrückte-kindheit.at: Die Homepage für Kinder von psychisch kranken Menschen.
www.pmooe.at: Die Seite der Pro Mente Oberösterreich. Auch hier finden Sie Angehörigengruppen und gute Informationen.
Zehn "Anhalts"-punkte für Angehörige
(von Ingrid Rath, HPE Wien)
Informiere Dich gründlich und sachlich richtig nach dem neuesten Stand der seriösen Wissenschaft über die komplexen Zusammenhänge psychischer Erkrankungen. (Fachbücher, Fachzeitschriften, Fachleute ...). Hüte Dich vor zu großen Erwartungen und vorschnellen Urteilen. Vergiss nicht, dass im Rahmen der Forschung noch sehr viel zu tun ist und dass keine Psychiatrie der Welt alle Deine Probleme lösen kann. Die beste Psychiatrie kann nur so gut sein, wie die Menschen, die sie praktizieren, und zu ihnen gehören auch die Betroffenen und ihre Angehörigen. Sie sind nicht nur passive Konsumenten, sondern an der Gestaltung des Heil-werdens durchaus aktiv beteiligt.
Suche nicht in der Vergangenheit nach "Fehlern", die Du gemacht haben könntest, sondern ändere dort, wo es nötig ist, Deine Denk- und Verhaltensweisen in Hinblick auf die Zukunft. Du und das ganze soziale Umfeld können den Fortgang der Erkrankung positiv oder negativ beeinflussen. Lass Dir bei der Korrektur von Fehlhaltungen und beim Erwerb einer positiven Einstellung von Betroffenen, Fachleuten und in der Angehörigenselbsthilfegruppe helfen.
Suche nicht nach "Schuldigen" am Ausbruch der Erkrankung und an ihrem Verlauf weder in der Familie, noch im sozialen Umfeld noch bei "den schlechten Psychiatern". Auch Du selber bist nicht "schuld", lass Dir eine solche Zuweisung nicht gefallen, sie entspringt längst widerlegten Vorurteilen, Rollenzuschreibungen, Unwissenheit und unserem eindimensionalen Ursachendenken. Sie macht Dir ungerechterweise ein schlechtes Gewissen und lähmt die Kräfte.
Rede nicht mit jedem über die psychische Erkrankung in Deiner Familie, aber wenn es dazu kommt, verstecke Dich nicht. Stehe dazu, denn psychische Krankheit ist keine Schande, sondern ein Schicksal, mit dem sowohl die Betroffenen, als auch die Angehörigen und das soziale Umfeld leben lernen müssen.
Damit die Lebensqualität der Familien möglich wird, fordere die Bereitstellung aller Hilfen, die das Gemeinwesen nach den letzten Erkenntnissen der Sozialpsychiatrie geben kann. Über eine effiziente stationäre Versorgung hinaus sind hier verschiedenste psychosoziale ambulante Einrichtungen bis hin zur Alltags-Begleitung des Betroffenen und seiner Familie gemeint.
Rede von Deinen positiven und negativen Erfahrungen und scheue nicht davor zurück Kritik anzubringen, aber sei den Professionellen aller Ebenen dankbar, wenn sie sich bemühen. Angehörige wissen, dass psychiatrisch Tätige einen schweren Beruf haben. Auch sie sind Menschen mit Ängsten, Unsicherheiten, mit Machtstrebungen und der Möglichkeit zu irren. Auch sie kämpfen mit ihren eigenen "Lebensproblemen", sind manchmal müde und ausgebrannt und machen Fehler, wie wir alle. Wir sollten so gut es geht verständnisvoll miteinander umgehen und voneinander keine Wunder erwarten.
Angehörige haben ein Recht auf ein eigenes Leben. Von Akutsituationen abgesehen, soll sich nicht alles um "die Krankheit" drehen. Übe Dich in Gelassenheit und suche Dir eigene Freunde, die dem Leben Sinn geben. Halte Distanz und ziehe Grenzen, respektiere auch die Grenzen Deines erkrankten Familienmitglieds. Dieses steht mit all seinen gesunden und kranken Anteilen für sich selber und braucht dazu eine gewisse Toleranz des Umfeldes, Motivation und genügend Freiheit, selbst zu gestalten. Nimm wahr, was Du ändern musst und kannst, und was zu ändern Deine Möglichkeiten und Befugnisse übersteigt. Fühle Dich nicht für alles und jedes verantwortlich. Auch der Erkrankte hat Eigenverantwortung!
Löse Dich vom Urteil der "Leute". Lerne ihr teilweises Unverständnis auszuhalten. Wenn Du kannst, arbeite mit anderen Angehörigen und Fachleuten und mit allen Wohlmeinenden am Abbau von Vorurteilen in der Öffentlichkeit allen gegenüber, die "anders" sind, ohne die Schwierigkeiten des Zusammenlebens aus den Augen zu verlieren.
Sei flexibel und lerne, was wirklich wesentlich ist und was nicht. Wirf über Bord, was Du bis zur Erkrankung Deines Familienmitgliedes für unerschütterlich "richtig" oder "falsch" gehalten hast. Noch wirst Du täglich neu geboren lebe den Augenblick. Heute geht es halbwegs gut was morgen ist, werden wir rechtzeitig sehen. Bemitleide Dich selbst so wenig wie möglich, sage es aber deutlich, wenn Du nicht mehr kannst dann hast Du ein Recht auf Hilfe des sozialen Umfeldes und der Fachleute.
Leiste Trauerarbeit, aber versinke nicht in ihr. Verliere nie die Hoffnung, dass der (die) Erkrankte lernen wird, sein (ihr) Leben mit einer gewissen Lebensqualität selber zu gestalten. Bewahre ihm (ihr) Deine Sympathie und Zu-Neigung und achte seine (ihre) Sichtweisen sie sind legitim, obwohl sie nicht die Deinen sein können. Nimm Dein Familienmitglied an, so wie es ist und versuche nicht, es nach Deinen Vorstellungen zu ändern. Ändern kannst Du nur Dich selber. (Und wie wir alle wissen, ist dies schwer genug ... .)