Pro Jahr werden in Oberösterreich rund 15 katholische Ehen am Diözesangericht Linz annulliert. Durch gerichtliche Entscheidung will man wieder etwas ins Lot bringen, was von Anfang an nicht gestimmt habe, erklärt Kanzleileiter und Richter Andreas Krenn.
Der Bischofshof in der Linzer Altstadt. Einen Stock über der Bischofsresidenz arbeitet Andreas Krenn, Kanzleileiter des Diözesangerichts. Direkt über dem Besprechungstisch hängt ein halbes Dutzend Dankeskarten von strahlenden Ehepaaren an der Pinnwand. Es sind Männer und Frauen, die nach einer erfolgten Annullierung wieder kirchlich geheiratet haben. „Unsere Erfolgsgeschichten“, kommentiert Andreas Krenn, der selbst Annullierungsverfahren leitet und als einer der Richter auch über den Ausgang mitentscheidet. Der Theologe erlebt dabei immer wieder, wie befreiend es für Betroffene sein kann, wenn nach einer gescheiterten Ehe auch das kirchliche Eheband aufgehoben werden konnte.
Keine kirchliche Scheidung
Eheannullierungen sind das „Hauptgeschäft“ des Diözesangerichts. Etwa 50 Vorgespräche werden pro Jahr von den Mitarbeiter/innen des Linzer Gerichtes mit Interessierten geführt. „Die Umstände der betreffenden Eheschließung schon im Vorfeld genau kennen zu lernen, ist für uns als Richter sehr wichtig – und für die Betroffenen oft auch selbst aufschlussreich“, weiß Andreas Krenn aus seiner 20-jährigen Erfahrung zu berichten. Deshalb könnten von den etwa 20 Verfahren, die pro Jahr neu eröffnet werden, die meisten positiv entschieden werden. Manchmal sei es auch nötig, unrealistische Erwartungen oder falsche Vorstellungen zu korrigieren, wie etwa die, dass es sich bei der Annullierung um eine kirchliche Scheidung handelt.
Süchte als Annullierungsgrund
Nach katholischem Verständnis ist eine Ehe unauflöslich. Wohl aber kann es angebracht sein, zu prüfen, ob denn die Ehe überhaupt gültig zustande gekommen ist. Zu den möglichen Annullierungsgründen zählt z.B., wenn das Versprechen eines Partners von Anfang an nicht ernst gemeint war, oder wenn eine lebenslange Verbindung, ausschließliche Treue und gemeinsame Kinder eigentlich nicht gewollt waren. Eine belastende Vergangenheit, die verschwiegen wurde, kann ebenso einen Annullierungsgrund bedeuten wie der Umstand, dass das Ja zur Ehe nur unter massivem äußeren oder inneren Druck zustande gekommen ist. Bei den Fällen, die beim Diözesangericht behandelt werden, geht es immer wieder auch um schwerwiegende psychische Belastungen (wie z.B. Süchte), die eine partnerschaftliche Beziehung von vornherein unmöglich machen.
Einzelbefragungen
„Die katholische Kirche macht sich die Annullierung sicher nicht leicht; schließlich steht ja ein sakramentaler Akt ‚auf dem Spiel‘“, sagt Andreas Krenn. Dementsprechend aufwendig gestaltet sich ein Eheannullierungsverfahren, das in der Regel eineinhalb Jahre dauert. Großen Raum nimmt dabei die Befragung der Ehepartner und eventueller Zeugen ein, die in Einzelsitzungen geführt werden; es kommt also zu keiner „klassischen“ Gerichtsverhandlung, in denen Ehepartner, Zeugen, Anwälte und Richter einander gegenüberstehen. „Es geht in einem Ehenichtigkeitsverfahren nie darum, über jemanden ein Urteil zu fällen oder jemanden die Schuld am Scheitern der Ehe zuzuschieben“, betont Andreas Krenn. – Und: „Ein Erfolg ist es für mich, wenn durch unsere gerichtliche Entscheidung ein Beitrag geleistet wurde, wieder etwas ins rechte Lot zu bringen, was von Anfang nicht gestimmt hat.“
Zur Sache
Eheannullierung
Ungültig geschlossen wird eine katholische Ehe, wenn bei der Eheschließung unberücksichtigt ein Ehehindernis vorgelegen hat, ebenso, wenn vor oder bei der Eheschließung irgendwelche Willensmängel von einem oder beiden Partnern vorgelegen haben, sei es, dass ihre Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt war, sei es, dass sie eine Ehe nicht mit all den formell versprochenen Konsequenzen schließen wollten, die nach Auffassung der kath. Kirche zum Wesen der Ehe unabdingbar dazugehören (Unauflöslichkeit, Treuepflicht, Bereitschaft zum Kind). Die Ungültigkeit der Ehe muss durch ein Verfahren am zuständigen Diözesangericht nachgewiesen werden – meist durch Aussagen und Eingeständnisse der Parteien, durch glaubwürdige Zeugen, durch sonstige Beweismittel wie Urkunden, Briefe, Tagebücher sowie (in bestimmten Fällen) auch durch gerichtlich eingeholte Gutachten. Nicht gegen Partner. Der Prozess wird nicht gegen den anderen Partner geführt, sondern richtet sich gegen die gesetzliche Vermutung, dass diese kirchlich geschlossene Ehe rechtlich gültig sei. Ein von Amts wegen bestellter Ehebandverteidiger hat dabei im Prozess alles vorzubringen, was für die Gültigkeit der Ehe spricht. Wird in erster Instanz die Nichtigkeit der Ehe festgestellt, muss das Urteil noch durch die zweite Instanz geprüft werden. In Linz werden pro Jahr etwa 15 Ehen annulliert. Nach erfolgter Annullierung gelten beide „Ehepartner“ als „kirchlich ledig“. Am Diözesangericht Linz sind hauptamtlich zwei Richter, ein Rechtsreferent und eine Notarin tätig; diese werden unterstützt durch zahlreiche ehrenamtliche Mitarbeiter/innen. Gerichtsvikar und Offizial des Linzer Diözesangerichts ist Univ.-Prof. DDr. Severin Lederhilger OPraem; Mag. Andreas Krenn ist Kanzleileiter und Richter.