Nahezu fünf Millionen Menschen haben nicht genug zu essen, rund 100 000 schweben wegen Unterernährung bereits in Lebensgefahr. Was führte zu dieser Katastrophe im Südsudan? Wie müsste effektive Hilfe aussehen? Wir fragten beim Südsudan-Experten Hans Rauscher nach.
Was ist die Ursache für die Hungerkatastrophe im Südsudan?
Hans Rauscher: Die Bauern können durch die kriegerischen Auseinandersetzungen ihre Äcker nicht bestellen, weil sie um ihr Leben fürchten müssen. Wenn sie zum falschen Stamm gehören, werden sie über den Haufen geschossen. Die finanzielle Situation im Südsudan verschärft die Krise außerdem.
Es wurden aber viele Hilfsgelder in den Südsudan seit der Staatsgründung 2011 überwiesen.
Rauscher: Ja, die Troika zum Wiederaufbau des Südsudans (USA, Großbritannien, Norwegen) hat hunderte Millionen Dollar in das Land gepumpt, die zum Aufbau der staatlichen Infrastruktur verwendet werden sollte. Das Geld der großstaatlichen Hilfe ist im Südsudan versickert, die Überwachung funktionierte nicht. Personen in Regierungspositionen haben Millionenbeträge veruntreut.
Was haben die internationalen Finanzsanktionen, die 2015 begannen, gegen den Südsudan bewirkt?
Rauscher: Sie verschärfen das Problem und tragen zur Hyperinflation bei. Der Wert des Pfund ist innerhalb des Jahres 2016 auf ein Zehntel geschrumpft. Die Menschen können sich kaum noch Nahrungsmittel kaufen. Die Unsicherheit wird dadurch angeheizt, dass kein Geld mehr im Land ist. Fatal ist, dass die Soldaten nicht bezahlt werden. Marodierende Regierungsmilitärs haben Massaker an der Zivilbevölkerung angerichtet.
Aus europäischer Perspektive sind die Hintergründe der kriegerischen Auseinandersetzungen schwer zu verstehen.
Rauscher: Der Krieg ist eine Folge der Not, weil sich die Menschen das holen, was sie zum Leben brauchen. Man hat das Land nach der Unabhängigkeit sich selbst überlassen, es hätte eigentlich ordentliche Strukturen gebraucht. Die sind nicht entstanden. Entzündet hat sich der Krieg am Konflikt zwischen Präsidenten Salva Kiir und seinem ehemaligen Vizepräsidenten Riek Machar. Dahinter stecken Stammeskonflikte und der Kampf um den Zugang zu den Ressourcen, allen voran das Erdöl. Dazu kommt, dass der Staat überhaupt keine Macht und Kontrolle über sein Militär besitzt. Die Armee ist in dörfliche Milizen zerfallen. Die Waffenbesitzdichte unter der Zivilbevölkerung ist sehr hoch.
Woher haben so viele Menschen eine Waffe?
Rauscher: Viele Waffen stammen aus der Zeit der Unabhängigkeitskriege (1955 bis 1972 bzw. 1983 bis 2005), als im Sudan der Süden gegen den Norden kämpfte. Der Norden hat einzelne Stämme im Süden mit Waffen aufgerüstet. Diese Waffenlieferungen sollten dazu dienen, dass sich die Sudan People‘s Liberation Army gegenseitig zerfleischt. Die komplette Abrüstung im Land wäre natürlich Voraussetzung für den Frieden.
Die Alarmglocken der Internationalen Staatengemeinschaften sollten jetzt zumindest schrillen. Auch Österreich hat Soforthilfe zugesagt.
Rauscher: Die Hilfslieferungen, die derzeit anlaufen, sind aber nur Oberflächenkosmetik in meinen Augen. Man müsste gleichzeitig jetzt in der größten Not infrastrukturell helfen. Unser Verein proSudan versucht das im Kleinen mit einem Landwirtschaftsprojekt, das den Dörfern Nahrungsmittelsicherheit verschafft.
Wie funktioniert das?
Rauscher: In einem Pfarrhof in Rumbek haben wir mit einer kleinen Gartenwirtschaft begonnen, Gemüsesorten zum Überleben anzubauen. Die Grundstücke sind mit Zäunen abgesichert, um Konflikte der Dorfbewohner mit den Rindernomaden zu vermeiden. Die Brunnen, wie wir sie angelegt haben, geben innerhalb des Zauns Wasser für das Landwirtschaftsprojekt und außerhalb des Zaunes für die Nomaden. Auch das soll Frieden stiften.
Welche Rolle spielt die Kirche im Konflikt?
Rauscher: Die Kirche versucht zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Die kirchlichen Strukturen funktionieren im Gegensatz zu den staatlichen noch. Diese Strukturen ermöglichen erst unsere Hilfe im Südsudan.
Papst Franziskus hatte erst vor Kurzem angekündigt, er wolle den Südsudan besuchen. Was könnte sein Besuch bewirken?
Rauscher: Wenn der Papst in den Südsudan kommt, wäre das ein sehr gutes Zeichen. Es sollten beim Aufeinandertreffen mit dem Papst Politiker von allen Seiten dabei sein. Zu bedenken ist aber, dass die Situation momentan so verfahren ist, dass vieles dafür spricht, den nationalen Friedensprozess eher außerhalb des Staates abzuhalten. «