Mathilde Willburger leitete einst ein großes Musikhaus in Linz. Doch erst seit einem Jahr spielt sie selbst ein Instrument. „Besser spät als nie“ nennt sie ihre Lebenserinnerungen.
Ausgabe: 2012/18, Willburger, Alter, Freiheit, Musikhaus in Linz, Meine Lebenserinnerungen, Buch
02.05.2012 - Matthäus Fellinger
Der Aufzug ist auch nicht mehr der Jüngste. Die Dame, die oben im 17. Stock an der Tür schon wartet, auch nicht. Mathilde Willburger ist 80. Aus dem, was sie drinnen am Tisch mit der herrlichen Aussicht über Linz erzählt, könnte man ein Buch füllen. Braucht man aber nicht. Sie hat es eben selbst getan. „Besser spät als nie“ heißt es. Ihre Lebenserinnerungen hat sie so anderen zugänglich gemacht. Ein bemerkenswertes Leben ist es, denn die Vorzeichen standen nicht auf Erfolg. Mit einer beidseitigen Hüftluxation geboren war sie ihr Leben lang gehbehindert. „Zu der Arbeit wird‘s nicht, also darf‘s was lernen“, hieß es.
Mit Schwerem leben. „Nichts ist in meinem Leben leicht gewesen“, sagt sie. Trotzdem hat sie es geschafft, Österreichs damals zweitgrößtes Musikhaus aufzubauen. In ihren Erinnerungen spricht sie ganz offen und sehr persönlich über ihr Leben. Wie es war, mit einem schwer alkoholkranken Mann zusammenzuleben – und wie schön die letzten Tage dann waren – wie sie da noch einmal zusammengefunden haben. „Dank an unsere Schutzengel für das Geschenk dieser Abschiedstage“, schreibt sie auf. Sie erzählt davon, wie sie miterleben muss, wie einer der Söhne an einer schweren Erbkrankheit leidet, und wie das nun auch bei zweien der Enkel der Fall ist. Wenn ihm immer öfter Spielkarten aus der Hand fallen – es ist schwer.
Ein zweites Leben. Der Humor hat Mathilde Willburger in ihrem Leben immer geholfen. Nach dem Tod des Mannes fing für sie noch einmal ein Leben an. An elf „ökumenischen Reisen“ der KirchenZeitung hat sie teilgenommen. Sie erzählt auch von ihrer Beheimatung in der Christlichen Betriebsgemeinde der Voest, erinnert sich, wie damals Kaplan Innerlohinger in ihr Geschäft gekommen ist, um eine Gitarre zu kaufen. Er hat sie eingeladen. Als einzige „Unternehmerin“ wurde sie dort zunächst skeptisch beäugt. Die Gemeinde ist ihre Heimat geworden. „Dort habe ich meine Freundinnen und Freunde“, sagt sie, und solange sie noch kann, wird sie hinfahren. „Ich habe großes Glück“, erzählt Mathilde. „Ich genieße es, allein zu sein“ – und sie bedauert viele, die das nicht können. Dennoch liebt sie Geselligkeit und heiße Diskussionen, freut sich – auf die monatliche „Stichelrunde“, die oft vom frühen Nachmittag bis in die Nacht hinein geht. Und sie freut sich immer, wenn jemand kommt. Und sie ist auch selbst gerne unterwegs.
Luxus des Alters. Offen spricht Sie auch über das Alter. Sie möchte, wie sie es nennt, den „Ausklang des Lebens“. Sie schreibt und dichtet gern. Ein Lied ihres Lieblingssängers Ludwig Hirsch hat sie ein wenig umformuliert. „Lass mir noch ein wenig Zeit, meinen Söhnen zu helfen, meine Erinnerungen zu schreiben, mein Leben ausklingen zu lassen“. Das Lied von Ludwig Hirsch mit dem großen schwarzen Vogel wünscht sie einmal bei ihrer Auferstehungsfeier. Einmal – 2008 – wäre es fast schon so weit gewesen. Eine schwere Operation an der Wirbelsäule stand an. Tagebuchartig beschreibt Frau Willburger die Tage im Krankenhaus, wie sie Vertrauen zu der Ärztin gefunden hat, die die risikoreiche Operation durchführte. „Ich genieße den Luxus meines Alters“, schreibt sie, „besonders, dass ich nach Mutter- und Großmutteraufgaben jetzt alleine lebe mit meiner Endzeitpartnerin Äntschi“. Das ist ihre Katze. Und sie genießt auch den „Luxus der Freiheit“. „Was kann einem Menschen jenseits der Siebzig noch passieren?“ Und dann verrät sie noch ein Detail: Obwohl selbst Chefin eines Musikinstrumentehauses, hat sie doch erst im Vorjahr gelernt, selbst ein Instrument zu spielen. Die Harfe. Eine ihrer Freundinnen, Maria, hat sie dazu angeregt. Das „Stille Nacht“ hat sie zu Weihnachten schon für sich selbst gespielt. „Im schönsten Wiesengrunde“ spielt sie recht gern.
Mathilde Willburger. Besser spät als nie. Meine Lebenserinnerungen. Wagner Verlag 2012. Erhältlich bei der Autorin. Mathilde Willburger, Blütenstraße 23, 4040 Linz, Tel. 0732/71 50 54, mathilde.willburger@liwest.at