Kaum eine Postkarte von Linz kommt ohne ihn aus: den Linzer Mariendom. Vor 150 Jahren legte Bischof Franz Joseph Rudigier den Grundstein für den Bau der größten Kirche Österreichs. Noch interessanter als die Größe ist die Vision, die der Bischof mit der Errichtung des „Neuen Domes“ verband. Eine Führung mit dem Dompfarrer Maximilian Strasser.
Die allermeisten Besucher/innen gehen durch das östliche Seitenportal in den Maria-Empfängnis-Dom. Das ist naheliegend, weil dieses Tor der Landstraße zugewendet ist, wo das Leben der Stadt pulsiert. Wer aber den Kirchenraum erleben will, der muss durch das Hauptportal beim Turm eintreten, lädt Dompfarrer Maximilian Strasser ein. Nach wenigen Schritten, am Übergang von der Turmhalle zum Langhaus, bleibt er stehen. Da ist sein Lieblingsplatz. Von hier aus zeigt sich der Dom in seiner ganzen Mächtigkeit und der Blick wandert unausweichlich nach vorne und nach oben auf das Fenster an der Stirnseite des Langhauses. Es zeigt die Aufnahme Mariens in den Himmel und im Maßwerk des Fensters ist die Dreifaltigkeit dargestellt. So findet das Leben Mariens, die ohne Erbsünde empfangen ist, in der Liebe des dreifaltigen Gottes seine Vollendung, erklärt der Dompfarrer: In der Liebe Gottes ankommen, das ist die Hoffnung jedes gläubigen Menschen. Nicht nur dieses eine, jedes einzelne der 63 Glasfenster erzählt Geschichten: aus der Bibel und vor allem aus dem Land Oberösterreich, von Lauriacum und dem heiligen Wolfgang, vom Pöstlingberg, den Stiften und natürlich von Bischof Franz Joseph Rudigier. Der Dompfarrer geht durch das Langhaus und bleibt beim Grabdenkmal Rudigiers stehen. Wenige Monate, nachdem Papst Pius IX. das Dogma von der unbefleckt empfangenen Jungfrau Maria verkündet hatte, gibt der Bischof am 13. April 1855 den Bau einer Domkirche bekannt. Sie soll der Immaculata geweiht und ein Denkmal der Liebe zur Mutter Gottes sein. Das Unterfangen war kühn, ein Projekt der Superlative: Der Dom sollte 20.000 Menschen Platz bieten, so vielen, wie Linz damals Einwohner hatte. Er dachte dabei nicht nur an die Katholiken: „Lasst uns den Dom so groß bauen, dass auch die bisher getrennten Brüder in demselben Raum Platz haben.“ So ist die größte Kirche Österreichs entstanden.
Ohne Kostenvoranschlag. Ebenso kühn wie die Größe des Doms war die Art der Finanzierung. Bischof Rudigier verbot dem Architekten Vinzenz Statz, einen Kostenvoranschlag zu erstellen: „Ich will den Kostenpunkt gar nicht wissen. Wir bauen für die Mutter Gottes, die wird schon sorgen.“ Der Bischof rechnete nicht mit Geld, sondern mit den Gläubigen seiner Diözese, besonders mit einfachen Menschen. Jeder noch so kleine Betrag – jeder Pfennig – war ihm willkommen, ja sogar lieber als Großspenden. Er verzichtete deswegen ursprünglich auf die Befreiung des Dombaufonds von der Einkommenssteuer, die ihm Kaiser Franz Joseph angeboten hätte. Der Bischof setzte auf eine Währung der eigenen Art: auf den Marienpfennig. „Wegen ihrer Menge und wegen des Segens, der auf ihnen liegt“, wie er sagte. Er hatte dabei die Erzählung aus den Evangelien vor Augen, wo Jesus im Tempel von Jerusalem die Leute beim Spenden beobachtete. Über eine Witwe, die nur zwei Blechmünzen geben kann, sagt Jesus: „Sie hat mehr gegeben als alle anderen …“ (Mk 12,41–44). In diesem Geist der Witwe, die von Herzen geopfert hat, wollte Bischof Rudigier seinen Dom bauen – und es ist gelungen. Nach der Grundsteinlegung 1862 ließen die Marienpfennige der kleinen Leute das Gebäude Steinreihe um Steinreihe in die Höhe wachsen. Der Dombauverein hatte zu seinen besten Zeiten an die 100.000 Mitglieder – nicht nur in Oberösterreich, sondern in der ganzen Monarchie. Eine eigene Zeitschrift, „Ave Maria“, hielt Kontakt zu den Spendern. Dompfarrer Strasser zeigt auf ein Fenster im westlichen Seitenschiff, auf dem man eine Druckerpresse sieht. Die Information der Spender war ein wesentlicher Teil des Erfolgs. Das – damals durchaus nicht für alle nachvollziehbare – Vertrauen des Bischofs auf die Fähigkeit Mariens, für volle Kassen zu sorgen, stand für Rudigier nicht im Widerspruch zu einer exakten Buchführung. Jährlich wurde Bilanz gelegt und die eingegangenen Beträge mit Namen der Spender veröffentlicht. Trotz aller Spendenbereitschaft dauerte es 62 Jahre von der feierlichen Grundsteinlegung am 1. Mai 1862 bis zur Domweihe 1924. Mit Dompfarrer Maximilian Strasser könnte man stundenlang durch den Mariendom gehen. Jedes Fenster, jedes Mosaik, jede Kapelle – er bringt den Dom zum Sprechen. Doch so geistlich anregend und kurios die vielen Details im Kirchenraum auch sind, weist er nachdrücklich auf die Bedeutung des Mariendoms hin. „Mit dem Neuen Dom ist es Bischof Rudigier gelungen, der damals jungen Diözese Linz eine Mitte und eine Identität zu geben.“