„Das Gebiet wird häufig auch Glasscherbenviertel genannt.“ – So formuliert „LinzWiki“, ein Internetforum, über das Franckviertel. Auch in anderen Publikationen wird das Vorurteil „Glasscherbenviertel“ gepflegt und dabei der Blick auf eine andere Präsenz von Glas verstellt. Man könnte ja auch Glas-Perlen sehen!
Ging man vom Linzer Südbahnhof Richtung Süden, empfing einen – so lange ist das noch nicht aus – der süßliche Geruch der Ersatzkaffee-Rösterei Franck, die einem Viertel den Namen gab. Die Rösterei wurde 1879 errichtet, als erste Auslandsniederlassung der deutschen Zichorien-Kaffeesurrogat-Fabrik Heinrich Franck Söhne. Fast ein Jahrhundert später kaufte Nestlé das Unternehmen, das 1944 mit Kathreiner Malzkaffee fusioniert hatte. Kurz vor der Nestlé-Übernahme hat die Franck AG auch die ältere Linzer Feigenkaffeefabrik Titze eingegliedert.
Leidenschaftlicher Franck-Viertler. Keineswegs das Gefühl, in einem Glasscherbenviertel zu leben, hat der seit Langem mitten im Franckviertel wohnende Franz Huber. Der heute 86-Jährige war einer der ersten Laienmitarbeiter der Diözese Linz nach dem Kriegsende 1945 und wurde dann Personalreferent im Pastoralamt. Er ist leidenschaftlicher Franckviertler. Das hängt auch mit den vielen schönen Erlebnissen zusammen, die er in der Franckviertel-Pfarre Don Bosco hatte. Deren Geschichte begann 1928 mit einer „Notkirche“, ein Jahr früher, als Familie Huber zugezogen ist. Zunächst war die Don-Bosco-Kirche eine Filialkirche der Familienkirche, seit 1939 ist sie eigenständige Pfarre. Die dort bis heute wirkenden Salesianer gaben und geben insbesondere Kindern und Jugendlichen Raum und Aufgaben. Gerne erinnert sich Huber etwa an die Laienspielgruppe, die illegal auch in der Nazizeit weiterbestand. Oft hat Franz Huber im Christophorus-Spiel den Fährmann Offerus gespielt. Der Satz: „Offerus, hol über“, wurde ihm zu einem Lebensmotto. – Der Ruf, sich in den Dienst nehmen zu lassen.
Prägende Bauten. Das Franckviertel prägen und prägten mehrere Bauten: die Franck-Fabrik, das ORF-Landesstudio am Beginn der Franckstraße, das Volkshaus und die Don-Bosco-Pfarre viel weiter südlich, die große Franckstraße, von der man nach Norden auf den Pöstlingberg schaut und nach Süden zur VOEST und Chemie, die Eisenbahnerhäuschen und die Arbeiter-Wohnanlagen, die seit der Zwischenkriegszeit entstanden. Gärten, Parks, Spielplätze und einladende Wohnanlagen lassen nicht an ein Glasscherbenviertel denken. Im deutschen Sprachraum ist ein „Glasscherbenviertel“ ein städtisches Gebiet, in dem nicht der Reichtum prunkt.Hier wohnen verhältnismäßig viele Arbeitslose, „Ausländer“, soziale Schwächere. In auf Linz bezogenen Publikationen wird auf die ehemalige Glasfabrik in der Garnisonstraße hingewiesen. Sie sei für die Herabwürdigung als Glasscherbenviertel verantwortlich. Oder vielleicht „verdankt“ das Viertel die Abschätzigkeit der Tatsache, dass vor vielen Jahrzehnten in der Hagenauerstraße ein Obdachlosenheim gestanden ist, wie Franz Huber vermutet.
Damals. Die Geringschätzung sagt viel über die Geringschätzenden. Sie rümpfen in einer Zeit, in der die „Reichen, Schönen und Erfolgreichen“ die Welt in Turbulenzen stürzen, über die Opfer dieser Turbulenzen die Nase. Mit gerümpfter Nase kommt man schwer zu einem Urteil, viel eher zu Vorurteilen. Ohne Vorurteil wäre zu hören, was Franz Huber von einst erzählt und heute nachklingt. Einst, als zur Donau hin noch keine Autobahn den Stadtteil zerschnitt und die Linzer zum „Steinernen Brückl“ baden kamen oder im Winter dort auf dem Eis Sport trieben. Einst, als im Februar 1934 auch Hubers Vater als Rauchfangkehrer auf Seiten des Schutzbundes stand und die Familie in Sorge und Furcht lebte. Einst, als es der Familie immer wieder sehr schlecht ging, weil der Vater arbeitslos war. Einst, als viele Gärten dem neuen Fußballplatz von „Sparta“, später „Germania“, weichen mussten und die Pfarre ihrerseits viele Jugendliche ansprechen konnte, ihnen auch einen Fußballplatz und andere Spiel- und Sportmöglichkeiten bot ... Einst, als das Beheimatungsgefühl gewachsen ist, das bis heute wirkt.