Am 19. März 2017 werden in ganz Österreich die Pfarrgemeinderäte gewählt. Die Wahlen sind ein Anlass, auf die „Nachbarn“ zu schauen. Der evangelische Pfarrer von Wallern Andreas Hochmeir erzählt von der Praxis der Mitbestimmung in seiner Gemeinde.
Eigentlich wäre heuer in der evangelischen Kirche A. B. Österreichs die Wahl der Gemeindevertretungen am Plan gestanden, die alle sechs Jahre durchgeführt wird. Das Gedenkjahr „500 Jahre Reformation“ machte aber eine Verschiebung auf 2018 sinnvoll.Auf den ersten Blick entspricht die evangelische Gemeindevertretung dem katholischen Pfarrgemeinderat. Beide Gremien sind das Ergebnis einer Wahl, an der alle Gemeindemitglieder teilnehmen können und sollen. Doch die Gemeindevertretung hat wesentlich mehr Gewicht. Sie ist vergleichbar mit dem Parlament, wo alle wichtigen Fragen der Gemeinde verbindlich entschieden werden. An deren Beschlüsse ist auch der Pfarrer gebunden, erklärt Andreas Hochmeir.
Damit man sich eine Vorstellung machen kann: Von den 1450 Gemeindemitgliedern Wallerns gehören 42 gewählte Personen der Gemeindevertretung an. Aus ihren Reihen wird wiederum das Presbyterium gewählt, das – um im Bild zu bleiben – die Funktion einer Regierung wahrnimmt. Das sind in Wallern drei Frauen und sieben Männer sowie zusätzlich die beiden Pfarrer. Ein Kurator, gewählt aus dem Presbyterium, und Pfarrer Hochmeir vertreten gemeinsam nach außen die Pfarre.
Bestellung des Pfarrers
Die Gemeindevertretung, die sich in Wallern drei- bis viermal jährlich trifft, ist mit einer Fülle von Pflichten und Aufgaben konfrontiert: Sie nimmt den pastoralen Jahresbericht und den Rechnungsabschluss entgegen und genehmigt das neue Budget, sie entscheidet über Anstellungen, auch über die Erhöhung des Kirchenbeitrags. So wird in Wallern eine zusätzliche Gemeindeumlage von zehn Prozent zweckgewidmet für die Jugendarbeit eingehoben. Und die Gemeindevertretung wirkt bei der Bestellung des Pfarrers mit. Im Fall von Andreas Hochmeir ging das auf folgende Weise vor sich: Nachdem er 2003 sein letztes Ausbildungsjahr in Wallern verbracht hatte, stellte er sich 2004 einer Pfarrerwahl, zu der die gesamte Gemeinde aufgerufen war. Im Vorjahr stand nach zwölf Jahren eine Verlängerung für eine zweite Amtsperiode an. Diese wurde von der Gemeindevertretung genehmigt.
Für das geistliche Leben zuständig
Das Priestertum aller Gläubigen, das in der Taufe grundgelegt ist, bildet ein Fundament der reformatorischen Kirchen: Jeder einzelne Gläubige trägt Verantwortung für die Gemeinde und ist auch für deren geistliches Leben zuständig, nicht nur der Pfarrer. Gewählte Gemeindevertretung und Presbyterium sind praktische Ausformungen dieser theologischen Grundüberzeugung. Unglücklicherweise wurde das – biblisch begründete – Priestertum aller Gläubigen jahrhundertelang zu einem Unterscheidungsmerkmal zwischen katholischer und evangelischer Kirche.
Als im Zuge der Toleranzpatente Josephs II. (1780 – 1790) im heutigen Österreich wieder evangelische Gemeinden entstehen durften, waren es engagierte Christen, die ihre Verantwortung für das Werden der neuen Gemeinden wahrnahmen, Bethäuser bauten und Pastoren suchten. So ist auch die Pfarre Wallern enstanden. Schon im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts wurden Gemeindevertreter auch gewählt. Ein weiteres wichtiges Datum, an dem das „Presbyterale-synodale Prinzip“ der Kirche sogar gesetzlich fixiert wurde, war das Protestantenpatent 1861. Es schreibt die Kirchengremien und damit die Mitwirkung der Gläubigen auch im staatlichen Recht fest. Es kann keine evangelische Gemeinde ohne Mitbestimmung ihrer Mitglieder geben. Das liegt in ihren „Genen“. 1931 nahmen erstmals die Frauen an Gemeindevertretungs-Wahlen teil.
Der Pfarrgemeinderat der Katholiken
Das erste Mal fanden in der Diözese Linz im Frühjahr 1973 Pfarrgemeinderats-Wahlen statt. Pfarrgemeinderäte sind eine Frucht des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965), wo das Priestertum aller Gläubigen in der katholischen Kirche wieder neu entdeckt wurde. „Der Pfarrgemeinderat unterstützt den Pfarrer mitverantwortlich bei der Leitung der Pfarre und entscheidet auch – im Rahmen der diözesanen Gesetzgebung – Fragen des pfarrlichen Lebens.“ So wird sein Wesen im Linzer Diözesanblatt definiert. Im Vergleich zu Gemeindevertretung und Presbyterium hat der Pfarrgemeinderat weniger Entscheidungsvollmachten. Das liegt in der Tradition der beiden Kirchen, aber auch in der unterschiedlichen Lehre über die Kirche begründet. Doch das schmälert die Bedeutung des Pfarrgemeinderats nicht. Er ist zu einem festen Bestandteil der katholischen Kirche im deutschen Sprachraum geworden und aus deren Leben nicht wegzudenken. Trotz Unterschieden zwischen evangelischer Gemeindevertretung und katholischem Pfarrgemeinderat gibt es ein „einigendes Band“, wie Pfarrer Hochmeir betont: „Es wird zunehmend mehr Herausforderung, Menschen für die Mitarbeit in den Gremien zu gewinnen.“ «