Wenn die Verzweiflung zu groß ist, denken manche daran, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Wie kann ihnen geholfen werden? Das Wichtigste ist nachzufragen, sagt Claudius Stein vom Kriseninterventionszentrum Wien.
Karl und Josefine S. haben ihre beiden Söhne verloren. Der Jüngere starb durch einen Unfall, als kleiner Bub. Der Ältere an einer inneren Blutung. Die Eltern kämpfen seither mit einer schweren Depression. Alles zu Ende bringen und dann gemeinsam sterben, das waren die Gedanken von Karl und Josefine S.
Doch sie haben sich helfen lassen, im Kriseninterventionszentrum Wien.
Belastende Lebenssituationen
So wie das Ehepaar S. hadern viele Menschen mit ihrem Schicksal. Manche wählen tatsächlich den Tod. Im Jahr 2015 waren es 1251. Das sind mehr als drei Mal so viel wie jene, die im Straßenverkehr starben. Im Vergleich zu den 1980er Jahren ist die Zahl jedoch massiv zurückgegangen. Das hat mit den Präventionsprogrammen zu tun. Sie wurden für Menschen entwickelt, die an psychischen Erkrankungen leiden, besonders an Depressionen, oder die sich in aktuell sehr belastenden Lebenssituationen befinden. Sie bekommen Unterstützung in verschiedenen Institutionen. Damit sie den Weg dorthin finden, bedarf es einer aufmerksamen Umgebung.
Es wird etwas passieren
„Das Wichtigste ist, jemanden in einer tiefen Krise zu fragen, ob er so verzweifelt ist, dass er an Suizid denkt“, sagt Claudius Stein. Der Psychotherapeut betont, dass entgegen eines Vorurteils die meisten, die an Suizid denken, darüber auch sprechen oder indirekt signalisieren: „Ich kann nicht mehr weiter, da wird etwas passieren.“ „Ein Gespräch tut gut und erleichtert die Betroffenen. Der Suizidgedanke tritt dann oft in den Hintergrund“, sagt Dr. Stein.
Werte, die Sinn geben
Wer weiß, was Menschen am Leben hält, kann Krisen bei anderen erkennen. Die Liebe zu ihren Söhnen hat dem Leben von Karl und Josefine S. einen Sinn gegeben. Eigene Kinder, die Familie, der Glaube an Gott oder bei Älteren oft auch die Pflege eines Haustieres sind sinnstiftende Werte. Wenn sie nicht mehr halten, ist das ein Alarmzeichen. Doch nicht nur persönliche Krisen lassen Suizid als Möglichkeit erscheinen.
Eine Erfolgsgeschichte
„Wirtschaftliche Krisen haben einen Einfluss“, sagt Claudius Stein: „Wenn die Arbeitslosenrate ansteigt und andere Faktoren dazukommen, steigt auch die Suizidrate.“ Dass sie in den letzten Jahrzehnten massiv zurückgegangen ist, ist eine Erfolgsgeschichte. Sie sei jedoch bedroht, wenn im Sozialbereich eingespart wird, sagt der Psychotherapeut: „Die Diskussion um die Mindestsicherung, die Arme und Benachteiligte stigmatisiert, ist hoch bedenklich.“
Einrichtungen wie die Krisenhilfe Oberösterreich retten Leben. Das Ehepaar S. hat gelernt, mit der Depression umzugehen. Medikamente und Therapien sind dabei ebenso wichtig wie Freundschaften. Und das gemeinsame Reisen. «
Fachtagung Suizid – Die Sehnsucht nach mehr Leben
Am Freitag, 17. März, 9 bis 17 Uhr laden mehrere kirchliche Institutionen auf Initiative der Telefonseelsorge 142 ins Schloss Puchberg bei Wels. Auf dem Programm stehen ein Vortrag von Dr. Claudius Stein sowie Workshops mit Dr. Reinhold Fartacek, MBA, Christian-Doppler-Klinik Salzburg, Dr. Nestor Kapusta, Universitätsklinik Wien, Dipl.-Psych. Christiane Schmermer, ARCHE München, Psychotherapeutin Dr. Michaela Mayer und Dr. Michael Rosenberger, Kath. Privatuniversität Linz. Kosten: € 40,–.
Info: Tel. 0732/76 10-35 31, www.beziehungleben.at/akademie/veranstaltungen/fachtag-suizidpraevention.html