21.01.2011 - Das Gespräch führte Elisabeth Leitner
Der in Köln lebende Oberösterreicher Siegfried Anzinger zählt zu den international anerkanntesten österreichischen Malern und Grafikern. Das Lentos widmet ihm bis 13. März eine Schau. Die KirchenZeitung sprach mit Prof. Günter Rombold über den Künstler und das Verhältnis von Kunst und Kirche.
Siegfried Anzinger, 1953 in Weyer geboren, wurde eingeladen, dort zwei Fenster für die Pfarrkirche zu gestalten. Warum braucht die Kirche Kunst unserer Zeit in ihren Räumen?
Prof. DDr. Günter Rombold: Kunst ist die Sprache der Religion. Das gilt für alle Künste: Architektur, Musik, bildnerische Kunst. Und da ist es wichtig, dass man sich nicht nur mit Werken der Vergangenheit umgibt, sondern auch mit Werken der Gegenwart. Wobei beides wichtig ist: In den Werken der Vergangenheit begegnet man der Geschichte der Kirche und der Gesellschaft. Und in den Werken der Gegenwart begegnen wir dem Heute. Wenn die Kirche ganz auf die Kunst verzichtet, gäbe es überhaupt keine Ausdrucksmöglichkeit mehr. Die Religion kann nur in Worten, Tönen, Bildern sprechen und sich ausdrücken. So können Erfahrungen, die Menschen machen, den anderen mitgeteilt werden.
Die zwei Kirchenfenster haben für Pro- und Kontra-Stimmen gesorgt. Verwunderlich?
Nein, das war zu erwarten. Es sind sicherlich ungewöhnliche Fenster, die nicht der Erwartung aller Menschen entsprechen. Es gibt ein Männerfenster und ein Frauenfenster. Ich finde es zum Beispiel sehr berührend, wie etwa die Madonna das gekreuzigte Kind in Händen hält. Oder auch die Taufe Jesu durch Johannes und in einer Ecke sieht man Jesus, wie er auf Hitler hinweist. Es ist etwas stark Erzählerisches in diesen Fenstern – und die Farben finde ich sehr schön. Aber man darf sich nicht erwarten, dass es ein Werk der Erbauung ist, es ist ein Werk, das zum Schauen und zum Nachdenken einlädt.
Zur aktuellen Ausstellung: Hier gibt es kritische Stimmen, die Anzingers Arbeiten als „obszön“ bezeichnen und von „Schande“ sprechen. Was sagen Sie dazu?
Die Kunst beschäftigt sich grundsätzlich mit allem, was es gibt. Mit dem Schönen und mit dem Hässlichen. Und bei Anzinger ist es so, dass er sich dem nicht entzieht. Das erotische Spiel nimmt bei ihm eine großen Stellenwert ein. Und zwar heute noch mehr als am Anfang. Das kann bis zum Pornografischen gehen. Msgr. Otto Mauer hat gesagt: Auch Pornografie kann Kunst sein. Man braucht sich nur Picasso anzuschauen: Er hat hunderte von erotischen Zeichnungen geschaffen. Bei beiden ist für Komik und Satire viel Platz. Zentrale Motive der Kunst sind die Erotik und der Tod. Auch der Tod spielt bei Anzinger – besonders im Frühwerk – eine Rolle.
Sie kennen Anzinger seit seiner Studienzeit. Was zeichnet seinen Werdegang aus?
Anzinger ist aufgetreten zu einer Zeit, als allgemein an der Malerei Kritik geübt wurde. Über dem Eingang zur documenta stand damals „Kunst ist überflüssig“. Das war die Zeit, wo es geheißen hat, man muss auf die Straße gehen, um die Welt zu verändern. Anzinger wollte aber von Anfang an malen. Er besitzt eine sehr große Kenntnis der Geschichte der Malerei und setzt sich mit Künstlern früherer Epochen auseinander. Daraus erwächst sein eigenes spezifisches Schaffen.
Anzinger hat sich von seinem künstlerischen Weg entgegen aller Moden nicht abbringen lassen. Was fasziniert Sie an seinem Werk?
Für seine Malerei ist charakteristisch, dass er ganz ungewöhnliche Farben verwendet. Also nicht wie im Barock, wo man hauptsächlich von Primärfarben ausgegangen ist wie Rot, Blau und Gelb, sondern er hat alle möglichen Zwischentöne. Wie er diese Farben kombiniert, das ist schon ganz ungewöhnlich. Und darin liegt eine besondere Qualität. In den Anfängen waren seine Bilder oft sehr dramatisch, später entdeckt er die „Leichtigkeit des Seins“. Das Humorvolle, das Ironische tritt immer mehr in Erscheinung.
Von der Farbgestaltung bis zur Motivwahl gibt es verschiedene Werkphasen. Was steht bei Siegfried Anzinger im Vordergrund?
Gerade die jetzige Ausstellung in Linz ist ein Höhepunkt dieser Leichtigkeit. Wobei er Themen und Motive hat, die sehr ungewöhnlich sind. Etwa seine Bilder von Indianern am Marterpfahl. Es werden auch Arbeiten aus der vorigen Periode gezeigt, die im Zusammenhang mit den Glasfenstern für die Pfarrkirche in Weyer entstanden sind. Vor allem drei Motive kommen immer wieder vor: Hieronymus, der für Meditation steht, Daniel in der Löwengrube, der eine verzweifelte Situation zeigt, und der barmherzige Samariter. Das Motiv ist jedoch nicht das Entscheidende bei ihm, sondern die Formfindung. Er erkennt und denkt mit den Augen: Indem er etwas malt oder zeichnet, erkennt er das Objekt. Es gibt bei ihm so etwas wie die „Intelligenz des Auges“.
Die Kirchenzeitung lädt ein S. Anzinger: Kostenlose Führung im Lentos
Eine exklusive Führung für Leser/innen durch die Ausstellung „Siegfried Anzinger“ mit ermäßigtem Eintritt (Euro 4,50): dazu laden KirchenZeitung und Lentos Kunstmuseum herzlich ein. Anzinger zählt zu den international anerkanntesten östereichischen Malern und Grafikern und stammt aus Weyer. Anmeldung bis 1. Februar.
Donnerstag, 3. Februar, Treffpunkt: 16.15 Uhr im Foyer Lentos, Linz. Teilnahme nur mit Anmeldung: Tel. 0732/76 10-39 44.