In Martin Luthers berühmtem Lied „Vom Himmel hoch“ bringt ein Engel den Hirten und uns die Frohe Botschaft: Der Retter der Menschheit ist da. Aus der Serie "Mit Liedern Richtung Weihnachten unterwegs", Teil 7 von 7.
Ausgabe: 2016/51
20.12.2016 - Peter Paul Kaspar
Bibeltexte zu singen, ist so alt wie die Bibel selbst. Psalmtexte rufen geradezu nach Gesang und wirken für musische Menschen oft befremdlich, wenn sie im Chor gesprochen werden. Andererseits hören wir erzählende oder belehrende Texte vorwiegend gesprochen. Manche Bibeltexte wollen schon wegen der festlichen Gelegenheit gesungen werden. So geschah es auch mit der Weihnachtsgeschichte. Die liedhafte Erzählung von Jesu Geburt im Stall, den Hirten und den Engeln nach Lukas gehört wohl zu den bekanntesten Kirchenliedern der europäischen Musikgeschichte: „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ (wobei das Gotteslob nur einen Teil enthält).
Zwei Zugänge zum Text
Früher war es unter Katholiken verpönt, weil Martin Luther der Verfasser des Textes ist. Heute gelten solche konfessionellen Grenzen erfreulicherweise nicht mehr. Schließlich singen auch Evangelische unbekümmert „Stille Nacht“, einen typisch katholischen Gesang aus dem 19. Jahrhundert – also 300 Jahre jünger als Luthers Lied. Über den Vorrang einer der beiden Lieder zu streiten, ist müßig. Sie unterscheidet nicht nur der große Abstand ihrer Entstehung, sondern auch die Ambition: Hier wird ein in poetische Verse gefasster Bibeltext gesungen – dort ein gemütvolles Lied über Text und Melodie im Volkston. Um es drastisch zu sagen: Die Evangelischen singen den Bibeltext in Versform, die Katholischen kleiden ihn in poetische Volkstümlichkeit – also einerseits streng biblisch, andrerseits frei poetisch. Schön, dass hier die konfessionellen Eigenheiten zwar erkennbar sind, jedoch keine Trennung mehr bewirken. Streng gesagt: dem festlichen Weihnachtschoral steht ein gemütvolles Volkslied gegenüber. Das erste vielleicht passend zum Evangelium zu singen, das zweite etwa bei einer Krippenandacht – beides aber ohne Bedenken zur Christmette.
Poesie im Lied
Die Melodie des Luther-Chorals hat seit der Reformation einen Siegeszug durch die Musikgeschichte angeführt. In vielen Kompositionen – Kantaten, Oratorien, Orgelwerken, Variationen – tönt das Lied nicht nur durch die evangelische Kirchenmusik, sondern auch in katholischen, sogar in weltlichen Werken. Am kunstvollsten vielleicht in Bachs „Kanonischen Variationen“, einem der kunstreichsten kontrapunktischen Orgelwerke. Die lange evangelische Textfassung bringt in der 13. Strophe eine poetische Kostbarkeit, die man heute vielleicht schmunzelnd singen wird: „Ach mein herzliebes Jesulein, mach dir ein rein sanft Bettelein, zu ruhen in meins Herzens Schrein, dass ich nimmer vergesse dein.“ Hier mischt sich sogar die evangelische Strenge zum Bibeltext mit weihnachtlicher Poesie im Lied. «
Gotteslob 237 Ganz sicher ist der Text, sehr wahrscheinlich aber auch die Melodie dieses Liedes von Martin Luther (1483–1546). Der Reformator, der selbst eine musikalische Ausbildung erhalten hatte, schrieb rund dreißig Kirchenlieder. Angeblich schuf der Theologe, der Laute spielte und gerne sang, „Vom Himmel hoch“ aber zunächst nicht für die Öffentlichkeit, sondern für die Weihnachtsbescherung seiner eigenen Kinder. Das Lied hat in voller Länge ganze 15 Strophen, sieben davon stehen im Gotteslob.