Kindern zu sagen, dass es das Christkind gibt, ist keine Lüge. Mit der Wahrheit, wer die Geschenke bringt, kann man sich Zeit lassen. Brav sein ist für eine schöne Bescherung kein Kriterium.
Schon viele Wochen vor Weihnachten sehnen Kinder das Fest herbei, wenn die verschlossene Tür aufgeht, das Glöckchen erklingen wird und die Geschenke unterm Christbaum liegen werden. Wunschzettel werden spätestens im Advent ans Christkind geschrieben, das auf magische Weise Wünsche erfüllt. Eltern beschäftigt dann die Frage, ob man den Kindern sagen soll, wer in Wirklichkeit die Geschenke besorgt.
Kinder „anlügen“?
Im Hintergrund steht für viele die Vorstellung, dass man zu den Kindern bedingungslos ehrlich sein muss. Sollen Eltern also gar sagen, dass es das Christkind nicht gibt? „Auf keinen Fall. Zu behaupten, dass das Christkind nicht existiert, ist im Grunde genommen gegen den christlichen Glauben. Der Christkind-Mythos ist ja mit den biblischen Erzählungen über das Jesus-Christuskind verbunden. Darin zeigt sich der Glaube und die Sehnsucht danach, dass das Gute und die Liebe siegen können, und dieser bleibt uns hoffentlich bis zum Lebensende erhalten“, sagt Silvia Habringer-Hagleitner, Leiterin des Instituts Ausbildung für Religionslehrer/innen an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz. Die Rede vom Christkind soll den Kindern gegenüber immer mit dieser theologischen Botschaft aus der Bibel verknüpft werden, dass nämlich das Jesuskind das besondere Christuskind ist, rät die Pädagogin. So kommt den Eltern der Satz, dass es das Christkind wirklich gibt, glaubwürdig über die Lippen. Mit der gängigen Geschichte, dass das Christkind die Geschenke bringt, verhält es sich natürlich etwas anders. Eltern sollten sich nicht stressen und nicht von sich aus möglichst bald die „Wahrheit“ erzählen, findet Pädagogin Habringer-Hagleitner. „Oft ist es ja so, dass die Kinder noch ans Christkind als Geschenkebringer glauben wollen. Kinder wissen, was sie brauchen. Erwachsene sollten den Kindern ihren für sie im Moment bedeutsamen Glauben lassen.“
Die magische Phase
Gut zu wissen ist für Eltern, was in der magischen Phase, die im Volksschulalter einmal zu Ende ist, in den Kindern ungefähr vorgeht. In dieser Zeit können sie realistisch und magisch zugleich denken. Ein Beispiel: Kinder können einem Mann bei der „Verwandlung“ in einen Nikolaus zusehen. Mit fertiger Verkleidung mit Bart, Mütze und Stab ist der Zauber in der Regel dennoch perfekt, obwohl sie theoretisch wissen, dass der Nikolaus nicht „echt“ ist. Die magische Welt, die Kinder damit betreten können, ist der Schlüssel zum kindlichen Weihnachtszauber. „Die magische Dimension spricht eine Energie, die in den Kindern liegt, an. Die Fähigkeit, an nicht sichtbare Dinge glauben zu können, ist sehr wertvoll“, betont Habringer-Hagleitner. Wer also die Kinder vorschnell „aufklären“ will, nimmt ihnen die Magie.
Christkind-Krise
Sollten die Kleinen den Christkind-Mythos zu hinterfragen beginnen, ist es normal, wenn das bei den Kindern eine Krise auslöst. Wie können Eltern darauf reagieren? In welche Richtung die Antwort gehen könnte, sagt Silvia Habringer-Hagleitner: „Man kann dem Kind sagen, dass wir dem Christkind mit den Geschenken helfen, weil wir uns gegenseitig als Familie lieb haben“ – vor dem theologischen Hintergrund, dass das Jesus-Kind in die Welt gekommen ist, um den Menschen von der Liebe, Wärme und Geborgenheit zu erzählen. Dieses Nebeneinander von Christkind und irdischen Helfern funktioniert für die Kinder, da ist sich die Pädagogin sicher. Was hingegen gar nicht geht: die Weihnachtsgeschenke mit Brav-sein-Müssen zu verknüpfen, sagt Habringer-Hagleitner: „Das ist genau verkehrt. Das Christkind kommt eben auch zu denen, die nicht brav waren. Zu Weihnachten feiern wir die Erlösung von dem Stress, immer perfekt sein zu müssen. Auch dafür ist Gott Mensch geworden.“
Seit wann bringt das Christkind Geschenke?
Das Christkind als Geschenkebringer hat Reformator Martin Luther eingeführt. Er stellte im 16. Jahrhundert die Verbindung Christkind und Geschenke her, um Sankt Nikolaus Konkurrenz zu machen. Dessen „kindische“ Verehrung störte ihn. Ironie der Geschichte: Heute ist das „protestantische“ Christkind vor allem in katholisch geprägten Regionen weihnachtliche Symbolfigur.