Man erkennt sie leicht an ihrem Aussehen: Die Wandergesellen. Männer und Frauen, die nach der Lehre auf Wanderschaft gehen, um Erfahrungen in anderen Betrieben zu sammeln.
Das Vokabular, die Regeln und Bräuche der Gesellen sind für „Kuhköppe“ nicht immer verständlich: „Kuhköppe“ wird zum Beispiel die nicht wandernde Bevölkerung genannt. Die traditionelle Kleidung – die Kluft – besteht aus einem schwarzen Hut, dem kragenlosen weißen Hemd, der sogenannten Staude, einer Weste und darüber einer Jacke. Die Hose muss, wie Weste und Jacke, aus Samt oder Manchester sein und an den Beinen breiter werden, also einen Schlag haben. „Das Wichtigste aber ist die Ehrbarkeit“, erklärt der Wandergeselle Oliver. Diese Art „Krawatte“ gehört auch zur Kluft und wird vorne in die Staude gesteckt. Wenn sie gerade keine Arbeit haben und umherreisen, ist der Stenz, ein Wanderstab, ihr ständiger Begleiter.
Unantastbar. „Niemand außer mir darf die Ehrbarkeit berühren! Sie zeigt, dass ich ein ehrenhafter Geselle bin, also nicht lüge oder etwas Illegales mache,“ erzählt der 23-Jährige. Als Wandergeselle ist man meist Mitglied einer Schacht, also einer Gesellenzunft. „Die überprüfen, bevor du beitreten und auf die Walz gehen kannst, ob du dafür überhaupt geeignet bist. Du musst damit zurechtkommen, nicht zu wissen, ob du morgen in einem Bett oder im Regen schläfst. Das ist“, so der Zimmermann weiter, „der Preis der Freiheit, den ich persönlich aber gerne bereit bin zu zahlen.“
Per pedes. Eine weitere Regel bei Wandergesellen ist, dass man für das Reisen und den Schlafplatz kein Geld ausgibt. Sie sind also darauf angewiesen, dass jemand sie einlädt, bei ihnen zu übernachten oder sie im Auto mitzunehmen. Ansonsten schlafen sie im Freien und gehen zu Fuß.
Bannmeile. Solange er auf der Walz ist, besucht kein Geselle seine Heimat. „Wir nennen das die Bannmeile. Sie verläuft 50 Kilometer rund um den Heimatort“, erklärt Oliver. Er berichtet weiter: „Mindestens drei Jahre und einen Tag bleiben wir auf Wanderschaft.“ „Bei mir ist es nächstes Jahr so weit. Aber ich denke, ich werde noch ein paar Jahre anhängen“, zeigt er sich von seiner Entscheidung, die Welt zu bereisen immer noch begeistert, denn, so erzählt er: „Man hat selten die Gelegenheit, in Afrika oder Indien zu arbeiten. Man lernt viel über sich selbst und der eigene Horizont wird immer größer.“