SERIE: Wegweisende und kritische Geister der KirchengeschichteTeil 5
Ausgabe: 2009/21, Glaube, Jan Hus, kritische Geister, Kirchengeschichte, Teil 5, Böhmen, Prag, Prediger, Schisma, Konzil
20.05.2009 - Dietmar W. Winkler
Jan Hus war Mahner und wacher Prophet der Kirche gegenüber und ein Prediger, dessen Sprache von den Menschen verstanden wurde.
Im großen abendländischen Schisma (1378–1417) war die Kirche nahezu 40 Jahre lang zerrissen. Die katholische Christenheit hatte zwei Oberhäupter, die auch vor Gewalt nicht zurückschreckten. In offener Feldschlacht kämpften ihre Söldnertruppen gegeneinander. Die europäischen Mächte waren ebenso gespalten und stellten sich entweder hinter den einen oder den anderen Papst. Der Steuerdruck und die Pfründejagd machten der gesamten Christenheit zu schaffen, waren doch auch zwei Kurial-Apparate zu erhalten. Aber es sollte noch schlimmer kommen: 1409 kamen auf einem Konzil in Pisa hunderte Oberhirten aus beiden päpstlichen Machtbereichen zusammen, die die Spaltung überwinden wollten. Kardinäle, Bischöfe und Äbte erklärten beide Päpste als Häretiker, weil sie das apostolische Amt missbrauchten. Sie wählten einen neuen Papst. Damit war aber das Problem der Einheit nicht gelöst, sondern nun hatte die katholische Kirche gleich drei Päpste, da die anderen beiden dieses Konzil nicht anerkannten.
Famoser Prediger. In dieser verzwickten Lage traten bedeutende Theologen auf, die eine Reform der Kirche an Haupt und Gliedern forderten. Einer davon war der böhmische Priester und Gelehrte Jan Hus. Ein famoser Prediger, der das Wort Gottes auf Tschechisch, der Sprache des Volkes, anstatt auf Latein verkündete. Seine Predigten in Prag berührten offene Wunden: Er kritisierte den moralischen Verfall des Papsttums, prangerte den weltlichen Besitz der Kirche und ihre Korruption an. Unter anderem trat er für die Priesterehe ein, weil damit viele Skandale vermeidbar wären. Er forderte den Laienkelch, d. h. die Darreichung des eucharistischen Weins nicht nur an Kleriker, sondern an alle Gläubigen. Er verlangte eine nationalsprachliche Liturgie und betrachtete die Bibel als letzte religiöse Autorität. Als einer der (Gegen-)Päpste den Kreuzzug gegen politische Widersacher ausrief und zur Finanzierung Ablässe handelte, verwarf Jan Hus die Kreuzzugsidee. Mit einer Papstbulle wurden nun die Schriften des böhmischen Priesters verurteilt und dessen Bücher verbrannt. Er wurde von diesem Papst exkommuniziert, worauf Volksdemonstrationen und Tumulte ausbrachen. Hus selbst appellierte an ein allgemeines Konzil und den höchsten Richter, Jesus Christus. Tatsächlich kam es 1414 zu einem Konzil in Konstanz, das es letztlich schaffte, das Papstschisma zu beenden. Unter anderem wurde jener Papst, der Hus verurteilt hatte, wegen Förderung des Schismas, notorischem Ämterverkauf und verabscheuungswürdigem Lebenswandel abgesetzt. Jan Hus selbst wurde freies Geleit versprochen, wenn er nach Konstanz käme. Er wurde aber gefangen genommen und verhört. Den Widerruf seiner Lehren lehnte er ab, durfte diese aber auch nicht ausführlich rechtfertigen. Er wurde 1415 von der Vollversammlung des Konzils, an dem zu diesem Zeitpunkt kein rechtmäßiger Papst anwesend war, als hartnäckiger Ketzer verurteilt. Am selben Tag verbrannte man ihn mit seinen Schriften auf dem Scheiterhaufen. Seine Hinrichtung führte in Böhmen zu den Hussitenkriegen. Die Reformideen von Jan Hus vermengten sich nun mit nationalen tschechischen politischen Bestrebungen. Papst Johannes Paul II. erteilte 1990 den Auftrag, sich mit dem berühmten böhmischen Reformer neu zu befassen. Auf einer internationalen ökumenischen Historiker-Konferenz im Vatikan 1999 drückte er überdies sein tiefes Bedauern aus „für den grausamen Tod von Jan Hus“.
Dietmar W. Winkler, Professor für Patristik und Kirchengeschichte, Universität Salzburg
Jan Hus – Kurzbiographie
- 1372 in Südböhmen geboren - 1400 Priesterweihe - ab 1402 Professor und Rektor der Prager Universität - wird berühmtester böhmischer Prediger - Hinrichtung am 6. Juli 1415
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