Makrina war die Dialogpartnerin und Lehrmeisterin vieler großer Theologen ihrer Zeit. Titelbild aus dem Buch: Silvas, Anna M.: macrina the Yopunger, Philosopher of God, Brepols, 2008
Der Einfluss der Frauen im Christentum ist im Zuge der Kirchengeschichte immer mehr verschüttet worden und erst die Forschungen der letzten Jahrzehnte hat ihre Bedeutung neu entdeckt. Allerdings sind viele von Frauen verfasste Originaltexte verloren gegangen und die Spurensuche muss sich auf das Frauenbild von Männern stützen. Vielfach sind diese abwertend und von Vorurteilen behaftet.
Große Schwester. Es gibt aber den ebenso glücklichen wie einzigartigen Umstand, dass ein Bruder die Biographie seiner Schwester schreibt. Gregor von Nyssa, einer der berühmtesten Theologen der Antike, setzt damit seiner Schwester Makrina ein Denkmal. Sie gehören einer außergewöhnlichen christlichen Familie an. Schon die Großmutter, Makrina die Ältere, war Schülerin von Grigorios Thaumaturgos, einem charismatischen Kirchenvater, der bei Origenes studierte. Makrina (die Jüngere) erhielt eine gute handwerkliche, schulische und intellektuelle Ausbildung. Ihre Brüder Basilius der Große und Gregor von Nyssa erlangten mit deren Freund Gregor von Nazianz als „die Kappadokier“ Weltruhm. Aber, wie wir heute wissen, stand dahinter Makrina als geistliche Mutter, kritische Beraterin und theologische Lehrmeisterin. Gregor von Nyssa schreibt in seinem Werk „Dialog mit Makrina über die Seele und die Auferstehung“, dass sie die kompliziertesten Fragen mit exzellenter theologischer und philosophischer Kenntnis beantwortet hat.
An der Wiege. Makrina gründete als eine der ersten Frauen in Kleinasien eine weibliche Klostergemeinschaft und führte diese intellektuell und praktisch. Ihr Gedankengut und ihre klösterlichen Leitungsqualitäten finden schließlich über ihre Brüder nachhaltig Eingang ins Christentum. Es sind die Kappadokier, die unseren Glauben an den dreifaltigen Gott und vor allem an den Heiligen Geist theologisch so durchdrungen haben, wie wir ihn heute bekennen.
Heruntergeholt. Als Basilius der Große von seiner universitären Ausbildung in Athen in seinen Heimatort zurückkam – „mächtig aufgeblasen über sein Wissen in Rhetorik und Logik“, wie Gregor schreibt –, dauerte es nicht lange, bis Makrina ihn auf den Boden christlicher Werte zurückholte. Sie bewegte ihn zu einem geistlichen Leben nach dem Vorbild der von ihr gegründeten Gemeinschaft. Als Erzbischof von Cäsarea gelang es Basilius schließlich, die bis dahin asozial in der Wüste lebenden Mönche durch Aufstellung von Klosterregeln in eine Gemeinschaft und damit in die menschliche Gesellschaft zurückzuführen. Der Einfluss Makrinas auf das frühe Mönchtum ist unverkennbar. Noch heute leben alle Männerklöster der orthodoxen Kirche nach der Regel des Basilius, die wiederum Grundlage für Benedikt von Nursias Ordensregel war.
Verschüttete. Basilius und Gregor schätzten die Lehrtätigkeit ihrer Schwester. Mit der voranschreitenden Christianisierung verschwinden die lehrenden Frauen allerdings allmählich. Bis heute macht es sich die katholische Kirche mitunter schwer, Professorinnen an theologische Fakultäten zu berufen und Frauen Leitungsfunktionen zu übertragen.
Dietmar W. Winkler Professor für Patristik und Kirchengeschichte, Universität Salzburg
„Und so großartig war Makrinas Lebensordnung und so derartig die Höhe ihrer Philosophie und so erhaben ihr Wandel bei Tag und bei Nacht, dass es mit Worten nicht zu sagen ist.“
Gregor von Nyssa
Das Leben der Makrina
- geboren um 327 in Cäsarea (heutiges Kayseri in der Türkei) - Ausbildung in Theologie, Philosophie und Naturwissenschaften - Gründung einer weiblichen Klostergemeinschaft - Asketin und Äbtissin - gestorben 379/80
Lesen Sie kommende Woche hier: Petrus Waldes und die Waldenser