Mit mehr Frauen in vatikanischen Führungsämtern rechnet Gudrun Sailer schon bald. Die Redakteurin von Radio Vatikan hat ein Buch mit Aussagen von Papst Franziskus zur Frauenfrage zusammengestellt.
Ausgabe: 2016/47
22.11.2016 - H. Niederleitner
Ihr Buch heißt „Keine Kirche ohne Frauen“. Pastoraltheologen warnen, dass die Kirche den Zugang zu jungen und modernen Frauen verliert. Wird das in Rom wahrgenommen?
Gudrun Sailer: Ja, der Papst sagt: Wenn die Kirche die Frauen verliert, riskiert sie, unfruchtbar zu werden. Das ist ein Aufruf, dass alle in der Kirche gegensteuern müssen. Der Papst weiß, dass das keinen Aufschub mehr duldet.
„Unfruchtbar werden“ ist ein missverständlicher Ausdruck, zumindest in Mitteleuropa. Welches Frauenbild hat Papst Franziskus?
Sailer: Dafür, dass er ein Lateinamerikaner ist, hat er ein sehr fortschrittliches Frauenbild. Er fordert Frauen auf, ihre Vorschläge einzubringen für die Diskussion, was die Rolle der Frau in der Kirche sein könnte. Früher gab es da Abwehr. Berühmt ist das Nein zur Priesterweihe von Frauen durch Johannes Paul II. Franziskus hat das zwar wiederholt, aber abgesehen davon habe ich keinen Fall gefunden, in dem von Frauen etwas angesprochen wurde, zu dem er gleich Nein gesagt hätte.
Auch zum Diakonat der Frau sagte er nicht gleich Nein ...
Sailer: Er sagt nicht: „Ich überlege es mir“, sondern: „Ich gründe eine Kommission und wir überlegen gemeinsam.“ Diese Kommission ist paritätisch mit sechs Frauen und sechs Männern besetzt – etwas Neues im Vatikan. Ich glaube, der Papst weiß, dass die Frauenfrage eines der Themen ist, die über sein Pontifikat hinausreichen. Er hat da keinen Plan, aber er macht die Tür auf.
Besteht nicht die Gefahr, dass Papst Franziskus Erwartungen weckt, die nicht erfüllt werden können?
Sailer: Er hat bereits viele Erwartungen geweckt. Das sehen wir daran, wie oft er nach der Rolle der Frau in der Kirche gefragt wird. Einerseits möchte er, dass die Kirche gemeinsam unterwegs ist – immerhin ist er Papst für die weltweite Kirche. Aber er sagt auch, dass gewisse Sachverhalte von Bischofskonferenzen entschieden werden können. Ich denke, die Ortskirchen in der entwickelten Welt können für die Rolle der Frau in der Kirche mehr als bisher einstehen.
Zu dieser Weltzone gehört auch der Vatikan selbst. Sehen Sie da absehbare Entwicklungen?
Sailer: Das halte ich in den kommenden Wochen oder Monaten für sehr wahrscheinlich. Der Papst hat ja zwei neue vatikanische Großbehörden geschaffen. Da stehen bislang nur die Chefs, also Kardinäle, fest. Ich würde es fast für einen Affront gegenüber Katholikinnen halten, wenn in der Behörde des Vatikan für Laien, Familie und Leben keine Frau in einer hohen Position säße. Interview: H. Niederleitner
Buch: Papst Franziskus: „Keine Kirche ohne Frauen“. Mit einer Einführung versehen und herausgegeben von Gudrun Sailer. Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart.