Fast 400 Jahre lang war es die Sommerresidenz der Päpste: Castel Gandolfo. Doch auf Beschluss von Franziskus ist, nach den Gärten ringsum, jetzt auch die dortige Privatwohnung der Päpste für Touristen zugänglich.
Ausgabe: 2016/47
22.11.2016 - Berhard Hülsebusch
Ich brauche keine Sommerresidenz, ich muss arbeiten und wie ein Missionar die Welt bereisen. Mögen Besucher diese Räume genießen können.“ Mit diesen Worten begründete Papst Franziskus seine überraschende Entscheidung, Castel Gandolfo völlig zu ,,öffnen“. Schon seit zwei Jahren kann man die weitläufigen, sehr schönen Gärten des Schlosses besichtigen – und seit Ende Oktober erstmals auch die Privatgemächer der Päpste. Ein endgültiges „Aus“ also für die Sommerresidenz, und zugleich eine neue Touristen-Attraktion.
Die Öffnung von Castel Gandolfo wird in Rom als „große symbolische Geste“ und als Geschenk an alle Gläubigen gewürdigt. Aber traditionsbewusste Zeitgenossen runzeln die Stirn, weil mit der päpstlichen Sommerresidenz wieder ein interessantes „Stück Historie“ endet.
Castel Gandolfo steht auf geschichtsträchtigem Boden. Denn hier, südlich von Rom, lag das aus der Sage bekannte Alba Longa. Die Kaiser Claudius und Domitian errichteten hier prächtige Villen. Im hohen Mittelalter entstand dort eine Burg – erbaut von der reichen Familie Gandulfi, von der sich der Name ableitet.
Billardspiel
Der Barockpapst Urban VIII. (1623–1644) war es dann, der diesen Ort als Sommersitz erkor, weil er – 426 Meter über dem Meer liegend – beste Gelegenheit bot, der römischen Sommerhitze zu entfliehen und Erholung zu finden. Urban beauftragte den berühmten Architekten Carlo Maderno, die Burg in ein Schloss umzugestalten. Im 17. und 18. Jahrhundert gab es in Castel Gandolfo große Festlichkeiten. Manche Katholiken-Oberhäupter erwiesen sich bei Ausflügen ringsum als leidenschaftliche Reiter, und sehr beliebt war damals bei den Päpsten das Billardspiel.
Ein wichtiger Einschnitt erfolgte im 19. Jahrhundert, im Pontifikat von Pius IX. Da sich 1870 das neue Königreich Italien den Kirchenstaat einverleibte und sich der Papst verbittert in den Vatikan zurückzog, kam anschließend für rund 60 Jahre kein Papst nach Castel Gandolfo. Erst 1929, mit der Entstehung des Vatikanstaates, erhielt das Schloss mit exterritorialem Status seine historische Rolle zurück.
„Bambini des Papstes“
Die Päpste nutzen ihre Sommerfrische, mit Blick aufs Meer und den Albanersee, fortan immer mehr auch als reguläre Residenz, in der sie Entscheidungen fällten, Botschafter und Staatschefs empfingen. Im September 1944 wurde Castel Gandolfo vom Kriegsgeschehen betroffen. Denn Pius XII. nahm viele Flüchtlinge, darunter hochschwangere Frauen, in das Schloss mit der Papstwohnung auf. Die Folge: Angeblich kamen direkt auf dem Bett des Heiligen Vaters etwa 40 Bambini zur Welt, die man prompt „die Kinder des Papstes“ nannte.
Johannes Paul II. (Pontifikat 1978–2005) legte in Castel Gandolfo, wo übrigens auch die vatikanische Sternwarte etabliert ist, Wert auf Erholung und Fitness, weshalb er sich sogar einen Swimmingpool bauen ließ. Dennoch waren seine Aufenthalte in der Sommerresidenz eher „Arbeitsurlaub“. Und dasselbe gilt für Benedikt XVI. Schlagzeilen machte Castel Gandolfo im Frühjahr 2013, weil sich Benedikt nach seinem sensationellen Rückzug in die Sommerresidenz zurückzog, um ungestört die Wahl seines Nachfolgers abzuwarten. Am 23. März 2013 besuchte der neue Pontifex Franziskus den ,,Papst a. D.“ in Castel Gandolfo und betete gemeinsam mit ihm.
Bauernhof des Papstes
Seither hat Franziskus das Schloss nie wieder besucht. Und jetzt ist erstmals das päpstliche Appartement zugänglich. Es besteht aus zahlreichen, mit Kunstwerken geschmückten Sälen, einem kleinen Arbeitsraum mit Schreibtisch und dem schlichten Schlafzimmer. Auf dem Schreibtisch sieht man noch Bleistift und Radiergummi von Benedikt XVI. „Alles original“, versichert der Museumswärter.
Trotz des Endes als päpstliche Sommerresidenz ist Castel Gandolfo weiterhin mit dem Vatikan verbunden, auch aus ganz praktischen Gründen. Denn auf dem Areal der Residenz befindet sich ein großer Bauernhof, der nicht nur die Ortschaft mit Milch und anderen einschlägigen Produkten beliefert – sondern auch den Vatikan. Einschließlich des Heiligen Vaters. «
Reiseinformationen
Die päpstlichen Gemächer sowie die Gärten von Castel Gandolfo sind von Montag bis Freitag von 9–13 Uhr und samstags von 9–16.30 Uhr geöffnet. Ticket-Bestellung über www.museivaticani.va oder vor Ort.