Ursprünglich hängt Geiz mit Gier zusammen. Doch im Deutschen hat Geiz die Bedeutung von Enge und übertriebener Sparsamkeit bekommen.
Die Gier nach Reichtum kann zu extremer Sparsamkeit führen. Ein Sprichwort sagt, dass man von den Reichen das Sparen lernen könne. Es gibt Reiche, die immer mehr Reichtümer um sich versammeln. Aber sie gönnen sich selber nichts. Geiz ist Lebensverneinung. Ich häufe tote Dinge an. Aber ich traue mich nicht, etwas zu genießen. Das Haben ist für diese Menschen wichtiger als das Leben. Wenn ich etwas genieße, habe ich es nicht mehr in der Hand. Ich habe es konsumiert. Der Geiz ist also immer auch mit Angst verbunden, ich könnte nicht mehr so viel haben, wie ich brauche. Manchmal ist es die Angst, im Alter nicht genügend Reserven zu haben, meinen Lebensunterhalt nicht bestreiten zu können.
Der Geizige kann nicht genießen. Der Geizige ist sich selbst gegenüber geizig. Obwohl er genügend Geld hat, gibt er es nicht aus. Er lässt sich lieber etwas von andern bezahlen. Er hat ein schlechtes Gewissen, wenn er sich ein gutes Essen gönnt oder sich etwas Schönes zum Anziehen kauft. Der Geizige kann nicht genießen und wird so für andere ungenießbar. Geiz kann zur Sucht werden. Ich habe Angst, etwas nicht mehr zu haben, was ich jetzt noch besitze. Also darf ich nichts weggeben, nichts genießen. Es könnte ja sein, dass ich später zu wenig zum Essen habe. So wird der Geiz zu einem Teufelskreis der Enge und der Selbstvorwürfe, wenn man sich doch mal etwas gegönnt hat. Dieser Geiz ist letztlich Lebensverneinung.
Der Geizige schenkt nicht. Sprichwörtlich ist der Geiz der Reichen andern Menschen gegenüber. Sie geben andern nie Geld. Sie machen keine Geschenke. Oft genug bauen sie sich dann noch eine Theorie auf, um ihre Verweigerung, etwas zu schenken, zu rechtfertigen. Geschenke würden nur zu Gegengeschenken verpflichten. Das Schenken an Weihnachten ist ja nur Geschäftsrummel. Mit solchen Argumenten begründet der Geizige vor sich selbst, dass er alles an sich rafft. Aber diese Argumente überzeugen ihn in seinem Herzen nicht wirklich. Weil er sich selbst nichts gönnt, kann er auch andern nichts gönnen. Und letztlich ist die Grundhaltung des Geizigen Angst. Die Angst hängt mit Enge zusammen. Wer Angst hat, wird eng. Wir sprechen im Deutschen vom Geizhals oder vom Geizkragen. Beide Bilder kreisen um den Hals. Der Geizige bekommt nie genug in seinen Hals. Aber zugleich schnürt er seinen Hals zu. Er wird immer enger. Er erstarrt letztlich.
Dem Geizigen die Angst nehmen. Ich kann den Geizigen nicht durch moralische Appelle zur Großzügigkeit bringen. Ich muss seine Angst ernst nehmen. Nur wenn der Geizige sich seiner Angst stellt, kann er seinen Geiz lassen, der ihn immer mehr einengt und von den Menschen entfernt. Der Geizige isoliert sich und wird zum Gespött der andern. Schon der Weisheitslehrer im Alten Testament, Jesus Sirach, spottet über den Geizigen: „Wer gegen sich selbst geizt, sammelt für einen andern; in seinen Gütern wird ein Fremder schwelgen. Wer sich selbst nichts gönnt, wem kann der Gutes tun? Er wird seinem eigenen Glück nicht begegnen. Keiner ist schlimmer daran als einer, der sich selbst nichts gönnt, ihn selbst trifft die Strafe für seine Missgunst.“ (Sir 14,4–6). Und an einer anderen Stelle sagt er: „Ein geiziges Auge trocknet die Seele aus.“ (Sir 14,9). Geiz wird für den Geizigen zum Teufelskreis. Er möchte Schätze sammeln für die Zukunft. Doch die Gegenwart wird ihm zur Hölle. Denn er vermag sein Leben nicht zu genießen. Ja, er verliert seine Beziehung zur Seele. Die Seele trocknet aus.
Die Angst zu Ende denken. Der Weg, vom Geiz frei zu werden, besteht darin, sich seiner Angst zu stellen und mit seiner Angst zu sprechen. Wovor habe ich letztlich Angst? Ist es die Angst, zu verhungern oder zu kurz zu kommen? Ist es die Angst, es könnte mir irgendwann einmal etwas fehlen? Oder ist es die Angst, dass mir etwas aus den Händen genommen wird? Dann wird die Angst fast zur Sucht: Ich muss alles, was ich in den Händen habe, festhalten, mich daran festklammern. Indem ich mit der Angst spreche, kann ich sie zu Ende denken. Und dann wird mich die Angst letztlich zu Gott führen. Die Angst, zu kurz zu kommen, wird mir zeigen, dass ich in Gott alles habe, was ich brauche, dass ich da nie zu kurz kommen werde. Die Angst, dass mir etwas fehlen könnte, verweist mich auf den Mangel, der wesentlich zum Menschen gehört. Ich werde nie alles haben.
Der Wert des Mangels. Aber das ist auch nicht wichtig. Der Mangel zeigt mir, dass ich auf Gott angewiesen bin. In diesem Angewiesensein liegt die innere Freiheit. Ich vertraue darauf, dass Gott für mich sorgen wird und dass ich immer das habe, was ich wirklich zum Leben brauche.
Geiz und Schuld. Eine andere Ursache für den Geiz können Schuldgefühle sein. Wenn mir von den Eltern immer eingetrichtert wurde, sparsam zu sein und nichts zu vergeuden, wenn jeder Genuss mit dem Verdikt der Verschwendung belegt wurde, dann bekomme ich Schuldgefühle, mir etwas zu gönnen. Die Überwindung des Geizes ist dann nur möglich, wenn ich mich diesen Schuldgefühlen stelle und mir dann von Gott die Erlaubnis geben lasse, das, was er uns an Gaben schenkt, auch zu genießen.
Gebet
Guter Gott, du hast uns in deinem Sohn Jesus Christus alles gegeben, was du hast. Deine Liebe zu uns ist ohne Maß. Erfülle mich mit deiner Liebe, damit sie meine Angst und meinen Geiz verwandelt. Öffne meine Hände, damit sie froh und vertrauensvoll geben. Weite du meinen engen Hals, meinen Geizkragen, damit ich innere Weite spüre und die Weite mich mit den Menschen verbindet. Du hast uns mit dem Reichtum deiner Schöpfung beschenkt. Öffne mir die Augen für die Unermesslichkeit deiner Gaben, wie sie uns in der Schöpfung entgegentreten. Und öffne meine Hände, damit sie deinen Händen ähnlich werden und ohne Angst weiterschenken, im Vertrauen, dass du uns immer wieder genügend in die Hände legst. So verwandle meinen Geiz in Liebe. Amen.
Übung
Halte deine Hände in Form einer Schale Gott hin. Und frage dich, was du mit deinen Händen schon empfangen hast, was Gott in deine Hände gelegt hat.
Und fühle dich in deine Hände hinein: Was haben sie schon gegeben? Wie haben sie sich gefühlt, wenn sie geschenkt haben? Und wie fühlen sich deine Hände an, wenn du alles festhältst?
Du kannst die Hände mal zur Faust zusammenballen und dir vorstellen, was du alles festhalten willst. Und dann spüre dich hinein, wie es dir damit geht.
Dann öffne die Hände wieder, halte sie Gott hin und stelle dir vor, dass Gott so viel in deine Hände legt, dass du genügend weitergeben kannst. Deine Hände würden zu schwer, wenn du alles für dich behalten würdest.
Deine offenen Hände machen dich freier. Auf einmal beginnt dein Leben wieder zu fließen. Wenn du die Hände zusammenballst, stockt dein Atem und dein Leben. Alles verkrampft sich. So laden dich deine Hände ein, den Geiz zu lassen und das, was du von Gott geschenkt erhältst, weiterzugeben.