In jedem Menschen steckt ein Urvertrauen. Dieses „seelische Ursehnsuchtsprogramm in uns ist auf ein gutes Leben ausgerichtet“, sagt der Psychotherapeut Manfred Stelzig. Auch nach enttäuschenden Erfahrungen im Leben, die aus der Bahn werfen können, ist es möglich, das Urprogramm zu reaktivieren. Es hilft, Vertrauen zu fassen, in die eigene Mitte zu kommen und Zufriedenheit zu erlangen. Wie das gelingt, beschreibt Manfred Stelzig in seinem aktuellen Buch.
Ausgabe: 2018/06
06.02.2018 - Susanne Huber
Vertrauen zu haben ist eine wichtige Grundlage – um uns selber wohl zu fühlen und damit Beziehungen zu anderen gelingen können. Doch nach schwierigen Situationen und Krisen im Leben scheint das Vertrauen oft abhandengekommen zu sein. Das führt nicht selten zu körperlichen und psychischen Erkrankungen, weiß Manfred Stelzig aufgrund seiner therapeutischen Praxiserfahrungen. Dazu zählen Angstzustände, Depressionen, Lustlosigkeit, Schlafstörungen, Traurigkeit, Wut, Unsicherheit, Selbstzweifel oder Minderwertigkeitsgefühle. Aber es gibt Wege aus diesen belastenden seelischen Beeinträchtigungen.
Urvertrauen
Ein „Ursehnsuchtsprogramm, das in jedem Menschen vorhanden ist, lässt uns nach Schutz und Geborgenheit, Zuwendung, Wärme, Respekt, Akzeptanz und Verständnis streben. Es ist ein Leben lang wirksam, wir können es nie verlieren und es kann immer wieder darauf zurückgegriffen werden“, sagt der Psychotherapeut. Ganz „entscheidend dabei sind bestimmte Übungen, die helfen, den Dingen, die im Leben nicht so angenehm waren oder sind, etwas dagegenzuhalten.“ Ziel der Übungen ist, „die innere Zufriedenheit mit sich selbst, damit eine psychische, körperliche und geistige Gesundung, eine Entspannung und Harmonisierung erreicht werden.“ Wenn Körper, Geist und Seele in Balance sind, führe das, sagt Stelzig, zu einer Glücksquelle. Dieses „Urvertrauen möchte ich zum Schwingen bringen. Wir haben die Fähigkeit zu Begegnung und zur liebevollen Zuwendung. Der Mensch ist von Natur aus mitfühlend.“ Laut neuesten Forschungen ist er das bereits vor der Geburt. „Beobachtungen an Zwillingen im Bauch der Mutter haben aufgezeigt, dass sie sich in den Bereichen, wo sich ihre Fruchtblasen berührten, einander abtasteten, ihre Gesichter streichelten und sich Küsschen gaben. Ein sehr berührendes Verhalten. Diese Idee von einem Du, vom anderen ist etwas, das wir dann ein Leben lang suchen.“
Kuscheln
Das Urvertrauen lässt sich laut Manfred Stelzig durch fünf Wurzelübungen trainieren. „Sie dienen dazu, auf der inneren Bühne Orientierung zu geben. Bei der ersten Wurzelübung geht es ums Kuscheln. Das eigene Bett ist hier Ort der Geborgenheit.“ Man legt sich hinein und versucht Kontakt herzustellen zu den drei symbolischen Urelementen: Das Gestell mit der Matratze steht als väterliches Symbol für Verlässlichkeit, für Stabilität, für eine tragende Kraft. Die Botschaft ist: Ich bin da, mir ist wichtig, dass es dir gut geht. Der Kopfpolster steht für das Mütterliche; er ist weich, stützend, er wärmt die Wangen, er gibt Geborgenheit. Er teilt mir mit: Komm, kuschel dich rein, träum schön, vergiss alle Sorgen. Ich bin bei dir und pass auf dich auf. Für viele Menschen sei dieses Loslassen, die Kontrolle abgeben und das Einschlafen-Können gar nicht so einfach, erläutert Manfred Stelzig. „Deshalb ist es ganz wichtig, dass man diesen Prozess so gestaltet, dass es eine kleine heile Welt gibt – dieses Nest, dieser Ort der Geborgenheit.“ Das dritte Urelement ist die Decke, die eine Art Tasche bildet und uns beschützt.
Wurzelübungen
Ist die Basisübung, wo man Stabilität, Geborgenheit und Schutz genießt, gefestigt, widmet man sich darauf aufbauend der zweiten Wurzelübung, wo es um die Fürsorge für sich selbst (das innere Kind, sich selber trösten können) und den anderen geht. Bei der dritten Wurzelübung holen wir uns liebevolle Ureltern auf die innere Bühne. „Denn nicht alle Menschen haben nur gute Eltern; doch die Erwartung vom Säugling ist da, ich möchte eine liebevolle Mutter und einen liebevollen Vater. Hier lernt man, sich diese Botschaften selber zu geben“, erklärt Manfred Stelzig. Es folgt die vierte Wurzelübung, die uns hilft, dass wir uns selbst anziehend und liebenswert finden. Diese Übung mit dem inneren Liebhaber oder der inneren Liebhaberin gibt Selbstsicherheit. Den Abschluss bildet die fünfte Übung. Ein innerer Freund stärkt dabei die Begegnungsbereitschaft und -fähigkeit.
Positiv regulieren
Ist der Mensch frustriert, gekränkt oder ärgert er sich, dann reagiere er normalerweise nicht ausgeglichen, sondern entweder traurig, aggressiv, destruktiv oder er spürt Rache in sich und will es einem heimzahlen, führt Manfred Stelzig aus. „Je besser man im Erlernen dieser Wurzelübungen ist, umso eher kann man sich im Sinne des Selbstmanagements, der Selbstberuhigung, des Selbsttröstens, der Selbstwertschätzung und der Selbstzufriedenheit wieder gut positiv regulieren. Das Entscheidende ist, dass man etwas in der Hand hat, das vor der Aggression oder auch vor der Gegenaggression schützt und man so wieder in der Lage ist, sich Konflikten zu stellen und Konflikte zu lösen.“
Geduld
Wie lange braucht es nun, bis sich etwas positiv verändert und sich das Vertrauen wieder einstellt? Unter Umständen müsse man viel Geduld haben, meint Manfred Stelzig. „Die größte Hürde ist, dass man sagt, ich probiere das aus. Hat man es geschafft, muss man tatsächlich immer wieder üben.“ Einmal am Tag eine Viertelstunde wäre ideal, sagt der Psychotherapeut. Es sei wie das Lernen einer Fremdsprache. „Wenn es einem überfordert, legt man Pausen ein. Aber es geht schon darum, dass man dem Thema treu bleibt; denn hinter dem Ganzen verbirgt sich das Ursehnsuchtsprogramm, mit dem man sich selber Gutes tun kann. Wichtig ist dabei, dass es nicht nur ein positives Denken ist, sondern dass es zu einem ganzkörperlichen Fühlen wird. Die Entspannung und das Glücklichsein zu spüren ist entscheidend.“ Nur so komme man aus der Opferrolle raus und sei nicht mehr enttäuscht vom Leben und von den Mitmenschen. „Man muss Seelenarchitektin oder Seelenarchitekt bleiben, indem man positiv gestaltet und handelt.“ «
- Buchtipp: „Warum wir vertrauen können. Das psychische Urprogramm des Menschen“, Manfred Stelzig. Ecowin Verlag 2017. Euro 20,-.