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Kaffeeduft zieht durch das Pfarrheim von Leonstein. Der Tisch ist festlich gedeckt. Marcela Guran lächelt und nickt, als ihr eine Torte angeboten wird. Abwartend hält sie die Hände im Schoß. Hier, in diesem kleinen Raum, ist sie zehn Stunden von ihrer Heimat entfernt. Im rumänischen Petrosani lebt ihre Tochter. Damit sie studieren kann, arbeitet Marcela Guran wochenlang in Molln, ohne dazwischen nach Hause zu fahren. Sie betreut eine betagte Frau, „die Oma“, sagt Marcela Guran. Das Haus liegt etwas abgeschieden in der Ramsau. Noch ist das alles kein Thema am Tisch. Noch wird Kaffee ausgeschenkt und Kuchen gereicht. Doch dann ergreift Ingrid Sitter das Wort: „Schön, dass ihr gekommen seid!“
Vor zwei Jahren hat Ingrid Sitter mit einer Gruppe von Frauen zum ersten Begegnungs-Kaffee eingeladen. „Wir haben die Pflegerinnen hin und wieder gesehen, beim Einkaufen oder wenn sie die Männer und Frauen, die sie betreuen, in die Kirche begleitet haben“, erzählt Ingrid Sitter: „Aber wir haben sie nicht gekannt.“ Das hat sich geändert. Alle drei Monate treffen sich die Pflegerinnen – und hin und wieder auch ein Pfleger – im Pfarrheim Leonstein und tauschen sich aus. Über schwierige Klient/innen, die manchmal auch schwer zu heben sind. Über den Mitgliedsbeitrag für die Wirtschaftskammer, den die Pflegerinnen zahlen müssen, ohne zu wissen wofür. Über die gemeinsame Bootsfahrt im letzten Sommer. Zwischendurch bietet Ingrid Sitter eine Liste mit Agenturen an, die Pflegekräfte vermitteln. Manche der Pflegerinnen kennen nur die Agentur in Rumänien oder Bulgarien, Ungarn oder der Slowakei, über die sie den Arbeitsplatz in Österreich bekommen haben. Wer die Agentur wechselt, muss zwischen 500 und 3.000 Euro bezahlen. Und trotzdem sollen die Frauen selbst entscheiden können, wo sie arbeiten, sagt Ingrid Sitter. Sie und ihre Kolleginnen wollen den Frauen das Leben im Ort erleichtern. Deshalb bekommt jede beim ersten Treffen eine kleine Karte. „Wenn du ein Anliegen hast, ruf einfach an“, ist darauf zu lesen, und drei Telefonnummern.
Diana Huma hält diese Karte gerade in der Hand. „Es gibt Arbeit in Rumänien, aber nicht viel Geld“, sagt sie in gutem Deutsch. Seit einer Woche ist sie in Molln. Es ist ihr erster Arbeitsplatz als Pflegerin, in der Ramsau, in der Nähe von Marcela Guran. Die beiden treffen sich täglich in ihrer Arbeitspause. Ein Auto haben sie nicht, um kurz nach Molln oder Leonstein zu fahren, und Café gibt es auch keines. Da ist der Begegnungs-Kaffee eine willkommene Abwechslung. Diana Huma steht auf und geht zu einer Landkarte. Österreich und die östlichen Nachbarländer sind darauf eingezeichnet. Diana Huma klebt einen rosa Zettel mit ihrem Vornamen in die Nähe von Temeswar. Neben dem ihren sind schon andere bunte Streifen über die Länder verteilt. 35 sind es insgesamt. Sie stehen für 35 von 70.000 Menschen, die nach Österreich kommen, um Pflegearbeit zu leisten.
„So vieles läuft schief in der Pflegearbeit“, sagt Ingrid Sitter. Das Thema Care bzw. Pflege begleitet sie schon lange. 16 Jahre lang hat sie ein Altenheim geleitet. „Die Carearbeit von Angehörigen wird nicht entsprechend gewürdigt“, sagt Ingrid Sitter. Würden Angehörige für ihre Arbeit bezahlt, müssten keine Pflegerinnen kommen, die unterbezahlt und ohne Netzwerk sind, ist Ingrid Sitter überzeugt. „Wir können das System nicht ändern, aber wir können die Frauen unterstützen, sie wertschätzen und Danke sagen.“
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