Hoffnung und Liebe geben, wo Aussichtslosigkeit herrscht – dazu fühlen sich Sr. Hildegard Enzenhofer und ihre Mitschwestern berufen. Die sieben Salvatorianerinnen leben ihr Christsein inmitten einer islamischen Welt, in Qubeibeh, 12 Kilometer von Jerusalem entfernt. Über ihr Wirken dort und über Hoffnungserfahrungen wird Sr. Hildegard bei der heurigen Pastoraltagung Einblicke geben.
Ausgabe: 2018/02
09.01.2018 - Susanne Huber
Um Hoffnungserfahrungen machen zu können, „müssen zuerst Räume der Hoffnung gestaltet werden“, sagt Sr. Hildegard Enzenhofer. „Das ist meine persönliche Weise hier in Qubeibeh in Palästina zu leben – zwischen Mauern, Zäunen, Checkpoints, mit Militärpräsenz und ständigen Auseinandersetzungen. Wir nehmen uns der Ausgegrenzten an, um die sich niemand kümmert. Das sind vor allem behinderte Menschen, die zum Teil in Höhlen leben. Ihnen Ansehen und Würde zu geben, dazu fühle ich mich berufen“, sagt die gebürtige Mühlviertlerin.
Eingeschlossen
Seit 2002 ist die Salvatorianerin Leiterin des Alten- und Pflegeheims „Beit Emmaus“ in Qubeibeh. Das Dorf, zwölf Kilometer von Jerusalem entfernt, liegt in der von Israel besetzten Westbank in Palästina und ist mit zehn anderen Dörfern von der israelischen Sperrmauer eingeschlossen. Insgesamt leben hier mehr als 40.000 Menschen. „Wir sieben Salvatorianerinnen sind als Ordensgemeinschaft mit zehn Volontärinnen die einzigen Christen hier in der Umgebung. Doch das Zusammenleben mit den muslimischen Familien funktioniert sehr gut und sie schätzen unsere Arbeit. Auch zu Weihnachten kamen viele von ihnen, um uns ein frohes Fest zu wünschen.“
Der Nahostkonflikt schwelt seit Jahrzehnten. Zu den Friedensbemühungen zählt eine Zwei-Staaten-Lösung im Hinblick auf Israel und Palästina. Deshalb kam es auch zu Demonstrationen seitens der palästinensischen Bevölkerung, nachdem US-Präsident Donald Trump im Dezember erklärte, dass die USA Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen. „Die Äußerung Trumps war eine schwere Kränkung für die palästinensischen Menschen; sie verletzt die UN-Resolutionen und internationales Recht“, sagt Sr. Hildegard.
Würde geben
Doch das Leben der Schwestern wird nicht von Politik geleitet. Als Ordensgemeinschaft ist ihnen die Verbundenheit im Evangelium und im Gebet und das Verwurzelt-Sein in Gott wichtig. „Das ist das Fundament. Natürlich braucht es Programme, die es wegen der Not der Menschen auch gibt; aber unsere eigentliche Aufgabe ist, für die Leute da zu sein, das Evangelium zu lesen, wie Jesus zu helfen und zu handeln. Von dieser tiefen Hoffnungserfahrung heraus gestalten wir unser Leben. Wir nehmen die Ausgegrenzten in unser Haus auf. Nicht durch reden, sondern durch vorleben bewirken wir bei den Menschen Veränderung – mit täglichen Umarmungen, indem wir sie bei der Hand nehmen, ihnen Mut machen.“
Liebe schenken
Shafiqah ist eine der insgesamt 35 palästinensischen Frauen, die in „Beit Emmaus“ betreut werden. „Wir haben sie von einer Zisterne geholt, da waren ihre Zehen schon von den Ratten abgefressen. Viele Jahre verbrachte sie dort. Menschen mit Behinderung gelten hier als Schande und werden von ihren Familien ausgestoßen.“ Die Frau konnte nicht sprechen und Sr. Hildegard fragte einen Logopäden, ob es Sinn mache, mit Shafiqah therapeutisch zu arbeiten, damit sie sprechen lernt. „Er verneinte. Also haben wir ihr nur eines geschenkt – Liebe. Und eines Tages fing sie an zu reden. Sie wusste alle unsere Namen. Seitdem spricht sie. Das sind für mich Hoffnungserfahrungen – Menschen ins Leben zu lieben. Ein Mann hat kürzlich zu mit gesagt, ,Beit Emmaus‘ sei der einzige Platz in ganz Palästina, wo Christen und Muslime gleich geliebt werden.“
Frauenarbeit
Als Sr. Hildegard 2001 nach Qubeibeh kam, hat keine Frau im Dorf gearbeitet. „Während der Intifada fuhren die Volontärinnen heim und wir hatten kein Pflegepersonal. Also haben wir mit der Frauenarbeit begonnen. Das ging sehr langsam. In dieser patriarchalen Gesellschaft läuft alles über die Männer. Wir Ordensfrauen haben uns an die Kultur und die Gepflogenheiten gehalten und die Männer im Dorf gefragt, ob die Frauen arbeiten könnten. 2002 ist es uns dann gelungen, drei Frauen zu Pflegerinnen auszubilden. Das war damals einzigartig in dieser Region. Mittlerweile haben wir über 20 Angestellte.“
Krankenpflegeschule
Jeder Mensch hat das Recht auf ein menschenwürdiges Leben, auf Bildung, auf Arbeit. Im Wissen darum, setzte sich Sr. Hildegard 2008 dafür ein, zusammen mit der Bethlehem-Universität in Qubeibeh eine Krankenpflegeschule zu errichten. Die „Fakultät für Pflege- und Gesundheitswissenschaften“ bietet Männern und Frauen Ausbildungsplätze. „Die Menschen hier bewegt, wie sie überleben können in dieser Aussichtslosigkeit. Viele verlassen deshalb ihre Heimat. Man sagt immer, die Christen wandern aus. Ich sage, alle wandern aus. Wenn der Mensch keine Perspektive hat, geht er weg. Deshalb braucht es Hoffnungsräume. Wir bilden aus. Wo ausgebildet wird, da ist Hoffnung. Und die Menschen, die wir ausbilden, gehen nicht ins Ausland. Wir schaffen Zukunftsperspektiven.“
Pastoraltagung 2018
„Der Hoffnung Räume öffnen“ – so lautet das Thema der diesjährigen Pastoraltagung, die vom 11. bis 13. Jänner 2018 im Bildungshaus St. Virgil in Salzburg stattfindet. Die größte kirchliche Seelsorge-Fortbildungsveranstaltung des Österreichischen Pastoralinstituts (ÖPI) solle dazu beitragen, zu ausgewählten Themenkomplexen – „Ateliers“, wie ÖPI-Vertreter sie nennen – „Hoffnungs-Netzwerke zu knüpfen“. Schwerpunktthemen dabei seien Hoffnungsräume in gesellschaftlichen Brennpunkten, die Schöpfung als „Welt ist voller Lösungen“, das Alter sowie der Hoffnungsraum „missionarische Kirche“. Die dabei begleitenden Fachleute sind Politologin Margit Appel, Flüchtlingsbeauftragter Rainald Tippow, Moraltheologe Michael Rosenberger und Pastoraltheologin Hildegard Wustmans. Unter den Referenten/innen ist Sr. Hildegard Enzenhofer, die über Hoffnungserfahrungen in Israel/Palästina berichten wird.
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