Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, die staatliche Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, ist es für die katholische Kirche Zeit, eine Selbstanalyse durchzuführen. Kommentar von Heinz Niederleitner.
Ausgabe: 2017/50
12.12.2017 - Heinz Niederleitner
Denn manche Reaktionen auf die neue Regelung ließen jenen Realitätssinn vermissen, welche die Kirche eigentlich haben müsste.
Wenn es etwa hieß, eine oberste Instanz unseres Staates habe eine „Grundfeste des Menschseins verkannt“, dann bezieht sich das auf die Fortpflanzung. Doch ob gleichgeschlechtliche Paare nun eine Ehe oder eine eingetragene Partnerschaft schließen dürfen, hat keinen Einfluss auf die Zahl der Kinder. Die Verbindung Ehe-Nachwuchs ist inzwischen sehr relativ geworden. Heute werden rund 40 Prozent der Kinder in Österreich außerhalb einer Ehe geboren. Auch in der „guten alten Zeit“ gab es immer uneheliche Kinder. Die Verbindung Ehe-Kinderkriegen ist ethisch erwünscht – die Realität spricht eine andere Sprache. Natürlich kann die Kirche die staatliche „Ehe für alle“ kritisieren. Aber man sollte nicht den Untergang des Abendlandes an die Wand malen.