Man könnte den Advent als eine Art Tanzkurs begreifen. Ein Leitartikel von Matthäus Fellinger.
Ausgabe: 2017/50
12.12.2017 - Matthäus Fellinger
Der Advent ist eine Fastenzeit. Da wird nicht getanzt. So war es, als die Kirche auch das gesellschaftliche Leben prägte.
Fasten bezieht sich nicht auf Nebensächliches, ohnehin leicht Verzichtbares – sondern auf das unbedingt Nötige für das Leben: Essen. Trinken. Und – interessanterweise – den Tanz.
Man könnte den Advent als eine Art Tanzkurs begreifen. Es geht nicht bloß um ein Neubesinnen, sondern auch um ein neues Üben der Art, wie wir uns auf dem Tanzboden des Lebens bewegen – ohne einander ständig auf die Füße treten oder uns zu nahe zu treten. Da geht es um das Feingespür für Nähe und Distanz, das für das Zusammenleben von Menschen so bedeutsam ist: ob es beglückend oder verstörend erlebt werden kann. Nähe entsteht nicht in der Überrumpelung. Sie wächst aber auch nicht in der beziehungsscheuen Distanz.
Taktvoll zu leben, gefühlvoll miteinander umzugehen. Das kommt nicht von allein. Es braucht den gelegentlichen Auffrischungskurs. Das Gespür für den Rhythmus des anderen und der Gemeinschaft kommt, wenn man sich auf den Rhythmus des anderen einlässt.
Auch dies gilt es zu lernen: Man muss nicht zu jeder Melodie tanzen. Soll es auch nicht. Manchmal ist es besser, aus der Reihe zu tanzen – wenn die Melodie nicht stimmt, die gespielt wird.