Das eigene Begräbnis proben? Pater Martin macht es möglich
Pater Martin Bichler, der bis zum Sommer 2017 Pfarrer in Enns war, erzählt gerne Geschichten aus seinem Leben. Die Anekdoten des Franziskaners hat der Autor Florian Kobler bereits zum dritten Mal in Buchform veröffentlicht. Die KirchenZeitung druckt exklusiv zwei dieser Kurzgeschichten ab.
Ausgabe: 2017/48
29.11.2017
Spielerische Seelsorge
Eine sehr betagte Frau ließ mich einmal ins Altersheim rufen. Sie wollte gemeinsam mit ihrer Familie und mir beten. Sie ging auf die 90 zu, fühlte sich schwach und wollte für den Fall des Falles vorbereitet sein. Als wir in ihrem Zimmer beisammenstanden, äußerte sie einen Wunsch: „Pater Martin, ich will noch beichten.“ Also bat ich die Familie hinaus und nahm ihr die Beichte ab. Danach reichte ich ihr die Kommunion, segnete sie mit Weihwasser und gab ihr noch die Krankensalbung mit Öl. Nachdem wir mit allem, was ich anzubieten hatte, durch waren, kam die Familie zurück und die Frau lobte mich: „Pater Martin, das hast du gut gemacht.“ Danach war es eine Zeit lang still. Plötzlich schreckte sie auf und rief: „Wo ist der Ball?“ Wir sahen uns alle fragend an. Doch niemand konnte eine vernünftige Antwort geben. „Ich habe alles gebeichtet, das heilige Brot, die Salbung und den Segen bekommen. Jetzt habe ich so viel Kraft, dass ich Ballspielen will! Jetzt! Sofort!“, rief die Frau. „Pater Martin, mach das Nachtkasterl auf!“ Darin befand sich tatsächlich ein faustgroßer Ball. Bälle wie diese bekommen ältere Leute im Altersheim oft in die Hand gelegt, um damit Übungen zu machen. Es heißt, Kneten und Berühren fördere die Motorik in den Fingern. Die Frau hatte aber keine Lust auf Kneten, sondern schupfte uns den Ball immer wieder zu. Die Familie und ich spielten also eine gute halbe Stunde mit der weißhaarigen, alten Frau Ball – und hatten eine ziemliche Gaudi. Dabei mussten wir zwar aufpassen, dass keine Gläser im Raum zu Bruch gingen, aber es klappte sehr gut. Irgendwann wurde die Frau müde und schlief ein. Die Pflegerinnen berichteten später, dass es ihr nach unserem Besuch viel besser ging. „Pater Martin, wie hast du das wieder angestellt?“, fragten sie. Ich musste lachen und meinte: „Ach, ich habe nur meine Arbeit als Seelsorger getan. Wir haben eine Runde Ball gespielt.“
Die Begräbnis-Probe
Neulich kam ein rund 40 Jahre alter Mann und fragte, ob er mit mir sein Begräbnis ausprobieren könnte. Er wüsste so gerne, ob ihm die Feier eines Tages gefallen hätte. Er hätte bereits mehrere Pfarrer gefragt, doch die hätten ihn alle beim Pfarrhof hinausgeworfen. Wir gingen also gemeinsam in die Kirche. „Habt ihr einen Sarg da?“, fragte der Mann. „Ich würde mich gerne hineinlegen, um zu wissen, wie sich das anfühlt.“ Leider konnte ich mit einem Sarg nicht dienen, aber immerhin fand ich ein paar Baustellenbretter, die ich vor dem Altar ausbreitete. Der Mann legte sich darauf und lauschte meinen Gebeten. Er hatte auch seinen Lebenslauf mitgebracht, den ich laut und andächtig vortrug. Nach der Probe war er recht zufrieden. „Besonders gut gefallen hat mir, dass du so positiv über mich gesprochen hast“, lobte er. „Behalte das unbedingt bei!“ Nach unserem Treffen ging er zum Notar und verfügte, dass nur ich einmal sein Begräbnis halten dürfte. Schließlich hatte er mit mir geprobt.
Pater Martin 3. Der lachende Franziskaner. Florian Kobler, Michael Wansch (Illustrationen), Freya Verlag 2017, 112 Seiten, € 14,90.