Ein Gang durch den Advent mit Bischof Benno Elbs, Diözese Feldkirch. Aus der Serie "Ein Licht anzünden", Teil 1 von 4.
Ausgabe: 2017/48
28.11.2017 - Bischof Benno Elbs
Reiß doch den Himmel auf, und komm herab!“ Das verzweifelte Gebet eines Ohnmächtigen hören wir am ersten Adventsonntag in der Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja (siehe die erste Lesung auf den Mittelseiten in dieser Ausgabe). Es ist eine Erfahrung, die wir auch heute kennen. Es gibt so viel Unrecht in der Welt, so viel Leid, Hass und Zerstörung. Wir erleben Oberflächlichkeit, Gleichgültigkeit, soziale Kälte. Menschen machen einander das Leben unnötig schwer, vernichten es, treiben andere in Angst und Verzweiflung. Solche Erschütterungen treffen nicht nur andere, sie erfassen auch mein eigenes Leben: Konflikte und Streitereien, Ausgrenzung, Verletzungen in zwischenmenschlichen Beziehungen, eine Krankheit, ein Jobverlust …
Kein „Gottesbedarf“?
Wo bist du, Gott? „Warum lässt du uns von deinen Wegen abirren und machst unser Herz hart?“, klagt der Prophet. Greif doch ein, so möchte man manchmal aus diesem chaotischen Durcheinander innerlich aufschreien. Wir sehnen uns nach diesem Land des Friedens, des guten Miteinanders. Und gleichzeitig stellen wir fest, dass viele Menschen heute keinen „Gottesbedarf“ mehr haben. Das, was mit Gott gemeint ist, bedeutet ihnen nichts. Dabei bedeutet es doch nichts anderes als Liebe! Deus caritas est! – Gott ist Liebe! Da kann ich den brennenden Wunsch des Propheten verstehen: „Du bist doch unser Erlöser von jeher. Reiß doch den Himmel auf, und komm herab!“ Mehr Himmel! So heißt die Sehnsucht in bedrückender Ohnmacht. Es bleibt bei der Sehnsucht. Der Durst nach Gerechtigkeit, Frieden, dem umfassenden Heil-sein wird nie endgültig gestillt sein. Und doch gibt es da und dort diesen Blick in den „Himmel“. Es gibt so etwas wie das Anbrechen des Gottesreiches. Das zeigt sich in konkreten Ereignissen: Wenn Gerechtigkeit sich durchsetzt, wenn Menschen in ihrer Würde geachtet werden, wenn Menschen einander aufrichten, dann wird selbst in einer schweren Situation etwas von Himmel erfahrbar – sogar wenn das Laub verwelkt und abgefallen ist, wie wir das jeden Herbst erleben. Aber auch wenn Gesundheit, Jugend, Beziehungen „welken“, kann es geschehen, dass durch Begegnung neue Freude entsteht. Auch wenn Schuld uns belastet, ist ein himmlisches Leuchten der Versöhnung, des Neuanfangs möglich.
Ton und Töpfer
„Gottesleuchten“, danach sehnen wir uns manchmal – in der Welt und in unserem Leben. Es ist eine adventliche Sehnsucht. „Wir sind der Ton, und Gott ist der Töpfer“, macht der Prophet Jesaja deutlich. Solches „Gottesleuchten“ ereignet sich auch durch uns – durch unser Wort, unser Tun, wenn wir Licht zu den Menschen tragen, wenn wir uns formen lassen wie Ton. Wenn wir verbunden sind mit unserem Schöpfer und Gott durch uns in der Welt leuchtet. Wenn durch uns da und dort schon jetzt in der Welt Himmel wird. Advent ist ein Offenwerden für das Handeln Gottes in meinem Leben, damit es in der Welt und in meinem Leben „Gottesleuchten“ gibt. Ja, und vielleicht ist die Ohnmacht eine Voraussetzung dafür, um mich diesem Wirken Gottes mehr zu öffnen. Wie singt der kanadische Sänger Leonard Cohen in seinem Lied „Anthem“: „There is a crack in everything. That‘s how the light gets in“ – Alles hat einen Riss. So kommt das Licht herein.
Bischof Benno Elbs
Der 1960 in eine Bauernfamilie in Langen (Vorarlberg) geborene Benno Elbs hat nicht nur in Innsbruck und Paris Theologie studiert, sondern auch eine psychologische und therapeutische Ausbildung abgeschlossen. 2013 wurde er zum Bischof seiner Heimatdiözese Feldkirch geweiht und vertrat Österreichs Kirche bei der Bischofssynode zu Ehe und Familie 2015 im Vatikan. Darüber hat er das Buch „Wo die Seele atmen lernt“ geschrieben.