Systematische Unterdrückung und Ausgrenzung – das erfährt die ethnische Minderheit der Rohingya in Myanmar laut einem aktuellen Bericht von Amnesty International seit Jahren. „Es geht um Apartheid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, sagt Annemarie Schlack, Geschäftsführerin der Menschenrechtsorganisation in Österreich.
Ausgabe: 2017/48
28.11.2017 - Susanne Huber
Innerhalb von zwei Jahren hat Amnesty mehr als 200 Interviews mit betroffenen Rohingyas geführt. Was sind die Ergebnisse des Berichts?
Annemarie Schlack: Wir haben im Sommer 2017 dramatische Situationen gesehen, knapp 700.000 Menschen sind wegen ethnischer Säuberungen durch das Militär nach Bangladesch geflüchtet. Aber der Bericht zeigt auf, dass bereits seit 2012 in Myanmar die Rohyngia in allen Bereichen ihres Lebens unterdrückt und systematisch zu Menschen zweiter Klasse gemacht werden.
Warum? Was sind die Hintergründe?
Schlack: Es geht ganz klar darum, dass es der Regierung dadurch gelingt, dieses „Wir-Gefühl gegen die anderen“ zu schaffen. Menschen werden zu Sündenböcken gemacht. Das hat ganz taktische Gründe. Damit kann gut von anderen Problemen abgelenkt werden. Wir sprechen hier von den Rohingya vor allem im Rakhine-Staat im Nordwesten des Landes. Das ist eine sehr fruchtbare Region, wo auch Landraub betrieben wird.
Sie sagen, was hier passiert ist Apartheid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Rohingya werden in allen Bereichen ihres Lebens unterdrückt. Wie zeigt sich das?
Schlack: Den meisten Rohingya wird wegen ihrer Ethnie anhand eines Gesetzes seit 1982 die Staatsbürgerschaft verweigert; also sind viele staatenlos und können ihre Rechte nicht einfordern. Da Kinder nicht registriert werden, können sie keine staatlichen Schulen besuchen. Von der Gesundheitsversorgung sind sie wegen der massiven Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit so gut wie ausgeschlossen. Rohingya, die sich von einem Dorf ins nächste bewegen oder ein Krankenhaus erreichen wollen, müssen durch viele Checkpoints, müssen immer wieder Dokumente vorweisen oder werden gar nicht weitergelassen. Sie befinden sich wie in einem Käfig unter freiem Himmel.
Was erwarten Sie sich von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi?
Schlack: Als Parteivorsitzende der Nationalen Liga für Demokratie in Myanmar hat sie genug Einfluss, um gegen diese dokumentierten Menschenrechtsverletzungen vorzugehen. Wir erwarten, dass sie sich gegen Rassismus, Diskriminierung und Gewalt ausspricht. Wir fordern, dass die Wurzeln dieses Übels auf höchster Ebene angegangen werden und das System der Apartheid beendet wird. Gesetze müssen umgeschrieben und Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden. Da fordern wir auch die internationale Gemeinschaft auf, hier Druck zu machen, dass Menschenrechte eingehalten werden.
Der Papst ist derzeit in Myanmar. Würden Sie sich wünschen, dass er die Problematik anspricht?
Schlack: Keine Frage, ich denke, Menschen mit Einfluss sollten ihre Stimme erheben, aber auch jede Einzelperson. Es gibt für uns alle etwas zu tun. Wir können Petitionen unterschreiben, unseren Unmut zum Ausdruck bringen. Und ein Papst hat hier ein großes Gewicht, die Lage der Rohingya anzusprechen. Es schockiert und entsetzt mich persönlich sehr, wie umfassend und wie grausam dieses System dort ist und wie viele Menschen seit Jahren darunter leiden.