„Wie geht es uns, wenn nahe Menschen alt werden?“ – Zu einem Gespräch darüber trafen sich Interessierte im Linzer URBI & ORBI. Ein Thema, das den Teilnehmerinnen und Teilnehmern spürbar naheging.
Ausgabe: 2017/47
21.11.2017 - Elisabeth Leitner
„Ich sehe, wie meine Mama alt wird. Die Altersflecken, die angeschwollenen Gelenke. Was ist mit ihr? Und auf einmal hört sie mit Sachen auf, die ihr immer wichtig waren“, erzählt die junge Frau in der Gesprächsrunde. Sie kämpft mit den Tränen. Das Altern der Eltern, Verwandten und Freunde ist oft schwierig. Es ist schwer auszuhalten, wenn jene Menschen, die man als stark und mächtig erlebt hat, langsam „abbauen“ und die Zügel ihres Lebens lockerer lassen. Aggression, Hilflosigkeit, Unverständnis der Angehörigen sind Reaktionen darauf. Nicht nur einmal hören ältere Menschen dann: „Reiß dich zusammen. Lass dich nicht so gehen!“ – Das ist verständlich, hilft aber niemandem. „Meine Erfahrung ist: Das Altwerden und Sterben der Eltern hat immer mit dem eigenen Leben und Sterben zu tun“, sagt Carmen Rolle. Sie arbeitet als Seelsorgerin in zwei Seniorenwohnhäusern und hat die dreiteilige Gesprächsreihe im URBI & ORBI mit dem Titel „Himmel! Alt!“ ins Leben gerufen. Das Altwerden der anderen hat mit der Angst vor dem eigenen Altern, dem eigenen Tod zu tun. Sich mit dem eigenen Ende bewusst auseinanderzusetzen, verändert den Umgang mit nahen Menschen, die schon in die Zielgerade des Lebens einbiegen.
Unerwartet Schönes
Dass das Älterwerden der Eltern auch ungeahnte schöne Seiten hervorbringen kann, beschreibt Frau H.: „Meine Mutter konnte nie Danke sagen für etwas. Sie hatte alles fest in der Hand. Erst im Alter konnte sie ihre weichen Seiten zeigen. Sie war dankbar, dass ich da war. Unser Verhältnis ist wirklich innig geworden.“ Dadurch habe sich die Beziehung zueinander verbessert, dafür ist Frau H. dankbar und meint rückblickend: „Wir haben erst die letzten paar Jahre zusammengefunden.“
Neues entdecken
Das trifft sich auch mit den Erfahrungen von Carmen Rolle. Mit dem Älter-Werden gerät manches aus dem Gleichgewicht. Die veränderte Rollenverteilung kann bewirken, dass Beziehungen zu Eltern und Verwandten eine neue Qualität erreichen. „Es gibt Gemeinsamkeiten, die einen immer noch tragen, es eröffnen sich Möglichkeiten, einander neu zu begegnen“, weiß Rolle aus langjähriger Erfahrung. Wer sich von der bisher vertrauten Person ein Stück weit verabschieden kann, wer wahrnimmt, dass sich dieser Mensch verändert hat, und bereit ist, ihn immer wieder neu kennenzulernen, der erlebt nicht nur die Traurigkeit des Verlustes, sondern auch die Freude, Neues zu entdecken.
Früchte des Lebens
Dass man im Alter die „Früchte des Lebens“ erntet, fällt ihr besonders auf. Statussymbole wie Eigentumswohnung oder Auto gibt es im Altersheim nicht mehr, hier zählt nur noch der Mensch. „Es ist unsere Blöße, der wir uns im hohen Alter stellen müssen: Was uns zu etwas gemacht hat und vielleicht auch als Fassade diente, ist nicht mehr. Zutage tritt der Mensch, der wir sind: mit Bedürfnissen, Sehnsüchten, Ängsten, Grenzen. Können wir diesen Menschen akzeptieren und ihn anderen zumuten?“, fragt Rolle. Mit der Frage, was im Leben zählt, kann man sich immer auseinandersetzen. Egal, ob jung oder alt. Und darüber gemeinsam zu reden, wirkt – wie bei dieser Gesprächsrunde – befreiend.
Einladung
Muss das so sein?
Offene Gesprächsrunde für alle Interessierten zum Thema: „Mein eigenes Altern – so wie es eben ist“. Do., 7. Dezember, 9 Uhr, URBI & ORBI, Kirche in der City, Bethlehemstraße 1a, 4020 Linz.