Seit 50 Jahren hat Lichtenberg ein eigenes kirchliches Gemeindeleben, ohne Pfarre zu sein. Dieser Sonderstatus hat die Menschen nicht daran gehindert, hier vieles aufzubauen.
Ausgabe: 2017/47
21.11.2017 - Paul Stütz
Nur eine 20-minütige Autofahrt, die etwa 400 Höhenmeter überwindet, ist es vom Linzer Zentrum hinauf nach Lichtenberg. Die Nähe zur Landeshauptstadt und die naturnahe Lage machen die Gemeinde zu einem beliebten Wohnort. 2700 Menschen leben heute hier. 1961 hatte der Ort erst 1000 Einwohner. Das war sechs Jahre, bevor die Lichtenberger ihr Pfarrheim eröffneten, was auch aktuell der Anlass für das 50-Jahre-Jubiläumsfest ist. Gefeiert wurde am vergangenen Wochenende gemeinsam mit Altbischof Maximilian Aichern.
„Filiale“ von Linz-Pöstlingberg
Der Zuzug nach Lichtenberg wirkte sich stark auf die Entwicklung der Seelsorge aus. Zwar ist Lichtenberg keine eigenständige Pfarre. Doch man hat quasi als Filiale von Linz-Pöstlingberg über die Jahre immer mehr an Bedeutung erlangt. Ordentlich wachsen wird die Kirchengemeinde zudem mit 1. Jänner 2018. Dann werden die Seelsorgegrenzen neu gezogen. Allein mit dem Ortsteil Asberg „wandern“ 440 Katholiken offiziell von Eidenberg nach Lichtenberg.
Mit der Einweihung des Seelsorgezentrums, das das alte Pfarrheim ersetzte, wurde im Jahr 2010 ein Meilenstein gesetzt. 2014 entstand daneben der neue Ortsplatz. „Durch die Kirche hat Lichtenberg seine Mitte bekommen“, sagt Christian Hein, der seit 2006 die Seelsorge in Lichtenberg leitet. Die einladende und offene Architektur der Kirche zeige gut die Ausrichtung der Pastoral. Stolz ist man in Lichtenberg auch darauf, dass die Kirche in Niedrigstenergiebauweise samt Photovoltaik und Hackschnitzelheizung errichtet wurde. Der Kirchenraum kann durch verschiebbare Wände bei Bedarf vergrößert oder eben verkleinert werden. „Wir sind als Kirche anpassungsfähig“, findet Hein.
„Hat uns erwachsener gemacht“
Zehn Prozent der Katholiken besuchen im Schnitt den Sonntagsgottesdienst in Lichtenberg. „Der Sonntag ist heute weniger ein Kirchgehtag, sondern mehr ein Familientag“, meint Hein: „Ich will die Situation aber nicht nur negativ betrachten. Wenn man die ganze Woche anschaut, ist heute nicht weniger Leben in unserer Kirche als früher.“ Viele Menschen kommen auch jenseits des Sonntagsgottesdienstes mit der Kirche in Lichtenberg in Kontakt, etwa durch den Eltern-Kind-Spieletreff. Das rege Vereinsleben ist ebenso prägend. „Die Traditionen sind hier lebendig“, meint Elisabeth Denkmayr. Sie ist seit wenigen Monaten Obfrau des ersten eigenen Pfarrgemeinderats (PGR) in der Geschichte Lichtenbergs. Vorher gab es noch einen gemeinsamen PGR mit Pöstlingberg. Auch bei den Feiern an den Lebenswenden ist Lichtenberg Stück für Stück selbstständiger geworden. Es können mittlerweile Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse im Seelsorgezentrum gefeiert werden. „Das hat uns als Gemeinde erwachsener gemacht“, sagt Hein, der sich 2011 zum Diakon weihen ließ. Damit darf er taufen sowie Hochzeiten und Begräbnisse leiten. „Ich bin gerne Diakon“, betont er, der mit diesem Schritt dennoch gerungen hat: „Mich schmerzt, dass meine Kolleginnen im Seelsorgeberuf nicht zu Diakoninnen geweiht werden können.“