Friederikes Mutter ist mit 91 Jahren im Pflegeheim gestorben, zehn Jahre nach dem Vater. Die Tochter wird nun von verschiedensten Gefühlen gequält und sucht Hilfe.
Ausgabe: 2017/46
14.11.2017 - Andrea Holzer-Breid
Nach Verena Kast durchlaufen Menschen bei der Verarbeitung der Trauer verschiedene Phasen: Nicht-Wahrhaben-Wollen/Schock/Betäubung Aufbrechende Emotionen/Gefühle Suchen und sich Trennen Neuer Selbst- und Weltbezug
Trauer um das „Versäumte“
Nach dem Tod der Eltern begeben sich viele Menschen auf eine Zeitreise in die Kindheit. Friederike lässt so manche Kindheitserlebnisse vor ihrer inneren Auge ablaufen. Auch wenn sie die Beziehung zu ihrer Mutter überwiegend positiv erlebt hat, sind viele Sehnsüchte in ihrer Kindheit unerfüllt geblieben. „Warum hat sich meine Mutter keine Zeit für uns genommen? Warum war sie so hart zu sich und zu uns? Schon ganz früh haben wir hart arbeiten müssen.“ Friederike ist abwechselnd traurig oder wütend. In der Trauer um die Eltern zeigt sich oft auch die Trauer um einen selbst, die Trauer um „das im Leben Versäumte“. Das, was in der Beziehung zu Vater und Mutter gefehlt hat, wird nun unumstößlich. Es ist nicht mehr gutzumachen.
Erleichterung und Schuldgefühle
„Meine Mutter war schon seit zwei Jahren dement und hat mich nicht mehr erkannt. Ich habe sie ein Jahr bei uns daheim gepflegt. Dann konnte ich nicht mehr und habe sie ins Pflegeheim gegeben. Es war so anstrengend gewesen die letzte Zeit, sie war wie ein Kind, das ich voll versorgen musste!“ Friederike erlebte kurz nach dem Tod der Mutter eine große Erleichterung und neben der Erleichterung Schuldgefühle, die Mutter abgeschoben zu haben. Erleichterung nach dem Tod der Mutter zu verspüren, verstößt gegen Tabus, genauso wie die Emotionen von Wut und Ablehnung. Allerdings sind widersprüchliche Gefühle naheliegend, denn auch die Beziehung zu den Eltern war ja widersprüchlich.
Momente der Dankbarkeit
In der Beratung kann Friederike ihre unterschiedlichen Gefühle benennen. Bei den Erzählungen aus ihrer Kindheit fallen ihr auch immer wieder positive Erlebnisse ein. „Weihnachten war immer schön. So friedvoll und zufrieden!“
Mein Leben
Schließlich nach ein paar Monaten kommt Friederike an einen Punkt, wo sie meint: „Ich habe das Gefühl, nun ist es mein Leben. Ich muss meinen Eltern nichts mehr nachtragen. Sie haben alles so gut gemacht, wie sie konnten. Ich darf nun mein Leben gestalten! Ich muss mich um niemanden mehr kümmern! Ich darf es mir gut gehen lassen! Ich werde mich mehr mit Freundinnen treffen, wieder schwimmen gehen und die Natur genießen! Friederikes verwirrende und peinigende Trauer konnte sich in das Gefühl von Verbundenheit und Versöhnung verwandeln.
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