Seit fast 40 Jahren fährt Maria Ritter mit Hilfspaketen nach Rumänien, in die ehemaligen Dörfer der Banater Donauschwaben. In einem kleinen Museum in Ried wird deren Geschichte erzählt. Jetzt steht beides vor dem Aus.
Ausgabe: 2017/45
07.11.2017 - Christine Grüll
Der Räumungsbefehl gilt mit Ende November. Dann muss Maria Ritter mit dem Museum Banat aus dem ehemaligen Güterbahnhof in Ried im Innkreis ausgezogen sein. Die Stadt will das Gebäude abreißen. Einen Ersatz gibt es nicht. Maria Ritter weiß nicht, wohin mit dem Museum, und nicht nur das: Sie kann ihr Lebenswerk, die Rumänienhilfe Ried, ohne Lagerräume nicht weiterführen.
Schätze aus einer untergegangenen Welt
Maria Ritter steht in der kalten Halle des Güterbahnhofs und streicht über ein schwarzes Kleid. „Schau, wie weich die Seide ist“, schwärmt sie. Das alte Kleid ist eines von hunderten Objekten. Sie erzählen vom Alltag und von den Festen der Banater Donauschwaben. Kostbares Porzellan, alte Gebetbücher und Modeln, mit denen Lebkuchen für Ostern gebacken wurden, reihen sich in der Ausstellung aneinander. Maria Ritter kennt jede ihrer Geschichten. Seit fast 40 Jahren fährt sie mehrmals im Jahr in Richtung Temesvar. Mit Sattelschlepper, Lastkraftwagen und Kleinbussen bringen sie und ihre Helfer/innen Hilfspakete in Dörfer, die die Banater Donauschwaben aufgebaut haben – aus denen sie vor 70 Jahren vertrieben wurden. Maria Ritter besucht alte Leute, die 1945 nach Russland zur Zwangsarbeit verschleppt wurden. Sie geht zu Straßenkindern und in Alten- und Kinderheime. Und sie besucht ihre Freundin Frieda, die die vielen Helfer/innen des Transports bei Bedarf in ihrem Haus übernachten lässt. Meist kehrt Maria Ritter mit Fotos und Gegenständen nach Ried zurück. Sie fühlt sich den Menschen, die sie ihr mitgegeben haben, auch ein wenig verpflichtet. Ihre Geschichte soll nicht vergessen werden.
Besiedlung und Vertreibung
Vor 300 Jahren siedelte Kaiserin Maria Theresia deutsche Familien im heutigen Rumänien an. Die Pannonische Tiefebene war nach den Türkenkriegen verwüstet. Die Siedler bekamen materielle Unterstützung und Steuererleichterung. Die Dörfer wurden nach Plänen der Österreichischen Hofkammer angelegt. Die Siedler legten Sümpfe trocken und bestellten das gewonnene fruchtbare Land. Bis in das 20. Jahrhundert entwickelte sich ein reges Wirtschafts-, Kultur- und Alltagsleben. In den 1930er Jahren wurden sogar hungernde Kinder aus Wien aufgenommen. Im Jahr 1944 endete diese Welt. 100.000 Siedler wurden vertrieben. 3000 von ihnen kamen ins Innviertel. Unter ihnen waren Maria Ritters Mann Franz und seine Eltern. Sein kleiner Bruder überlebte die Flucht nicht. Er starb in den Rieder Baracken an Masern. Franz Ritter hat sich eine neue Heimat aufgebaut. Seine alte wollte er mit dem Museum in Erinnerung behalten – für sich selbst und für die nachfolgenden Generationen.
Rumänienhilfe Ried
Maria Ritter ist mit ihrer Führung am Ende der Halle angelangt. Durch Vorhänge von der Ausstellung getrennt, stehen hier Türme von Bananenschachteln. Fleißige Hände werden sie mit Reis, Öl und Mehl und kleinen Köstlichkeiten befüllen. Das Geld dafür bringen Maria Ritter und ihre treuen Helfer/innen auch mit einem Flohmarkt auf. Er findet regelmäßig in der Rieder Messehalle statt und wird von Sammlern gestürmt. Aber auch von gebürtigen Riederinnen und Riedern. Sie decken sich hier mit günstiger Kleidung ein. Andere können sie sich nicht leisten. Maria Ritter steht nachdenklich vor den Schachteltürmen. „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll“, sagt sie. Mit 78 Jahren blickt sie auf ein Lebenswerk zurück, das nun sein ungewolltes Ende finden wird. Denn der ehemalige Güterbahnhof ist nicht nur ein Museum. Er ist auch ein Lagerplatz. Von hier aus werden die Fahrzeuge des Hilfstransportes befüllt. Anfang Dezember bricht Maria Ritter mit einem Transport nach Rumänien auf, mit 2500 Nikolaussackerl im Gepäck. Es wird wohl der letzte sein.«
Wer Maria Ritter Räumlichkeiten anbieten möchte, damit sie ihr Engagement fortsetzen kann, erreicht sie unter Tel. 0664/114 27 32.