Begeisterung für die Schule. Gibt es das? Ja. Und zwar so, dass 350 Lehrerinnen und Lehrer fast ein ganzes Wochenende dafür in einem Bildungshaus verbringen, um sich Impulse für eine „Schule im Aufbruch“ zu holen. Fast 500 Schulen in Österreich gehen bereits diesen Weg.
Ausgabe: 2017/45
07.11.2017 - Matthäus Fellinger
Eng gestellt sind die Sessel im großen Saal des Bildungshauses Schloss Puchberg. Das lässt eher „Frontalunterricht“ nach altem Muster erwarten. Aber das Interesse war so groß, dass es anders nicht ging. Und wenn verwirklicht wird, wovon da vom 3. bis 5. November in Puchberg die Rede war, dann kommt Schule in Bewegung.
„Wir träumen von Schulen, die die Begabungen unserer Kinder entdecken und zur Entfaltung bringen.“ Dieser Satz steht als Motto an die Wand gebeamt.
In einer Zeit, in der sich beständig so viel verändert, braucht es ein neues Verständnis von Lernen und Bildung, sagt Margret Rasfeld. Sie ist eine der Pionierinnen von „Schule im Aufbruch“. Zusammen mit Schülerinnen und Schülern bereist sie von Berlin aus Mitteleuropa, um für solch neues Lernen zu werben. 14-, 15-Jährige sind ihre wichtigsten Botschafter/innen, die selbst die Ideen an neue Schulen und in Bezirke und Gemeinden tragen.
Ohne Klassen, ohne Noten
„Nun sind wir selbst zu einer Schule geworden, in der Wertschätzung und Vielfältigkeit gelebt werden. Unsere Kinder praktizieren die tägliche Kinderkonferenz, die sie selbstständig leiten ... Hausaufgaben werden nicht mehr von den Lehrerinnen gegeben, sondern jedes Kind entscheidet selbstständig ...“, so die Erfahrung aus der Volksschule Enzersdorf.
„Schule im Aufbruch“ versteht sich als eine Bewegung von unten. „Ermutigen“ ist ein wichtiges Stichwort. Die Kinder spüren in diesen Schulen, worum es geht – und dass sie selbst wichtig genommen werden. Es sind Schulen, meint der Neurobiologe Gerald Hüther, in denen die Kinder sagen: „Ich komme in die Schule, weil wir die Welt retten wollen.“ Und dafür lernen sie. Deshalb lernen sie auch Physik – weil sie spüren: Wir brauchen Wissen. In solchen Schulen gibt es dann keine herkömmlichen Klassen, keine Noten. Da arbeiten Teams in Lernbüros. Und es gibt andere Fächer. „Verantwortung“ zum Beispiel. Das Potenzial, das in den Kindern steckt, gilt es zu entfalten. Dabei wird den Kindern enorm viel an Eigeninitiative zugetraut.
Lernen ohne Angst
Gerald Hüther ist einer der Unterstützer solchen neuen Lernens. Lernen kann man nicht unter Angst, sagt er. Schule und das sonstige Leben sieht er eng verknüpft: Ideen, die die Kinder in der Schule entwickeln, haben Auswirkungen auf ihre Familien. Schule ist für ihn eine Gemeinschaftsleistung von Lehrerschaft, Kindern, Schulleitungen und Eltern, Behörden, den Gemeinden, auch der Wirtschaft. Dass sich auch die Kirchen mehr für die Schulen interessierten, wünscht er sich. In eine moderne Schule gehen die Kinder nicht, weil sie Geld verdienen wollen, sondern weil sie die Sache interessiert. Kinder wollen einen Beitrag leisten, damit das Leben in der Region, in der sie zu Hause sind, gelingt oder dass die Natur geschützt wird. Überhaupt: Für die Zukunft der Erde wollen sie arbeiten.
Schule darf nicht als Instrument parteipolitisch missbraucht werden, betont Hüther. Den Kommunen – also Gemeinden – sollte jedoch mehr Gestaltungsspielraum in Bezug auf die Schulen gegeben werden. Insgesamt sollte den Schulen mehr Selbstverantwortung zugebilligt werden. „Sobald es eine Schule schafft, eine Gemeinschaft herzustellen zwischen Schulleitung, Elternschaft und der Wählerschaft einer Gemeinde – und alle an einem Strick ziehen –, entsteht eine Kraft, die keine Führung von oben mehr braucht.“
Auch in Oberösterreich gibt es Aufbruch-Schulen, so die Neue Mittelschule Altmünster und die Freie Schule Salzkammergut, ebenso am Gymnasium der Franziskanerinnen in Wels. Direktor Georg König ist Kontaktperson. An den Pädagogischen Hochschulen wird das Thema aufgegriffen. «