Den Richtertalar hat er nach 34 Jahren am Landesgericht Ried/Ikr. mit dem Talar beim Gottesdienst vertauscht: Im Sommer 2008 pensioniert, wurde Reinhart Daghofer am vergangenen Sonntag in Riedau zum Diakon geweiht.
„Ich spüre in mir einen Eros zur Wahrheit“, sagt Reinhart Daghofer: „Diese Suche nach Wahrheit, nach dem was geschehen ist, gehörte natürlich zu meinem Beruf, aber es war für mich immer mehr.“ Denn die Wahrheit sei die Basis dafür, den Opfern und Tätern gerecht zu werden. Das Ringen um Wahrheit schlägt für ihn auch eine Brücke zum Glauben: „Wenn ich mich um Wahrheit bemühe, bin ich auf Jesu Weg, der gesagt hat, dass er der Weg, die Wahrheit und das Leben ist.“
Vom Mitleiden geprägt. Er betrachtet es dankbar und als Glück, zeitlebens auf diesem Weg geblieben zu sein, in seiner jugendlichen Sturm-und-Drang-Zeit ebenso, wie dann, als sein Leben sehr schwer wurde. Seine Frau litt mehr als sieben Jahre an Krebs. Im März 2005 ist sie ihrem Leiden erlegen: „Dieses auf und ab und dann das gemeinsame Wissen, dass sie sterben muss, hat mich zutiefst geprägt.“ Sie haben gemeinsam das Begräbnis am Krankenbett vorbereitet, die Lieder ausgesucht und die Parte erstellt. Er sagt ohne Pathos, aber es geht durch Mark und Bein: „Bei allem Kreuz ist diese Zeit zu einer besonderen Christuserfahrung geworden.“
Bonhoeffer als Lebensbegleiter. In den Jahren des Mitleidens haben ihn – neben Menschen – die Schriften von Simone Weil (1909– 1943) und von Dietrich Bonhoeffer begleitet. Auf diese beiden großen Gestalten des 20. Jahrhunderts hat ihn sein geistlicher Begleiter Prof. Johann W. Mödlhammer von der Universität Salzburg hingewiesen. Mit Bonhoeffer beschäftigt sich Daghofer nun schon 35 Jahre hindurch. Und zwar gründlich. So zitiert Daghofer aus dem Gedächtnis nicht nur eine Passage aus einem Brief Bonhoeffers, sondern gibt auch gleich das Datum an: „Am 21. August 1944 schrieb Bonhoeffer an seine Braut: Im Leiden ist unsere Freude und im Sterben unser Leben verborgen.“ Dieser Satz treibt ihn um, gerade weil er von Bonhoffer nicht als billiger Trost verstanden wurde: „Da gibt es keine vordergründigen Erklärungen.“ Bonhoeffer wird ihn auch in seinem künftigen Arbeitsfeld als Diakon – vor allem beim Predigtdienst – begleiten. „Wie rede ich heute von Christus?“, zieht sich wie ein roter Faden durch Bonhoeffers Theologie und ist heute aktueller denn je. Auch die Sorge um trauernde Menschen und die Feier von Begräbnissen wird zu den Aufgaben des pensionierten Richters gehören: „Aber da muss ich erst hineinwachsen.“
Glaube ist kein Privatbesitz. Mit dem Gedanken Diakon zu werden, trägt sich Daghofer schon lange. Nach dem Tod seiner ersten Frau fiel dann die endgültige Entscheidung. „Christusbegegnung ist kein Privatbesitz, sondern ein Auftrag zur Verkündigung.“ Vermutlich waren seine beiden erwachsenen Söhne und seine Bekannten über die Entscheidung gar nicht so überrascht, meint er schmunzelnd. Er geht jedenfalls mit Freude auf sein neues Amt zu und ist dankbar, dass er wieder eine Partnerin gefunden hat: „Das partnerschaftliche Zusammenleben ist von unschätzbarem Wert. Das ist ein Geschenk.“