Lehrer/innen lernen lehren. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein. ImSeminar von Vera F. Birkenbihl hören sie aber, dass das meiste, was sie in ihrer Ausbildung gelernt haben, „Quatsch“ ist.
Ist das ein Seminar oder eine Quizshow? Ein sonniger Freitagnachmittag, der 10. Oktober. In der Kürnberghalle in Leonding sitzen trotzdem 200 Lehrer/innen im Saal. Sie schauen nach vorne, zur Quizmasterin, von der sie Neues erfahren möchten. Wie in der Schule schreiben alle mit. Wie in der Schule gibt es Unterricht von vorn. Aber nicht nur. Vera F. Birkenbihl zeichnet, kritzelt und schreibt in drei Blöcken von jeweils 1,5 Stunden ständig auf eine Folie, die auf eine Leinwand gestrahlt wird. Die Zeit vergeht im Nu. Sie beherrscht es, Informationen unterhaltsam zu bringen. Schließlich gilt sie als Erfinderin des „Infotainment“ – der Kombination von Information und Unterhaltung (engl. „entertainment“).
Menschen lernen von sich aus. Zur Auflockerung gibt es Quizfragen als Denkanstöße. Etwa: „Fällt Ihnen etwas ein, was ein Kind ohne die Hilfe eines Erwachsenen gelernt hat?“ Teamarbeit ist gefragt, Birkenbihl fordert zum Austausch mit Sitz-Nachbar/innen auf. Das, worüber wir uns unterhalten, geht tiefer ins Hirn, so die Erklärung. Ein Rollenspiel mit drei „Freiwilligen“ aus dem Publikum (sie wurden vorher gefragt) soll zeigen, wie negativ sich Kritik auswirkt, wenn jemand gerade anfängt, etwas zu lernen. Die Aufforderung von Birkenbihl dazu lautet: Kritik darf erst ansetzen, wenn jemand in einem Gebiet bereits Grundkenntnisse erworben hat. Und dann ist sie überflüssig, weil jeder selbst merkt, wenn etwas nicht so ist, wie es sein sollte.
Lernen im Leben. Gleich in der ersten Quizfrage sollen sich die Teilnehmer/innen an etwas Wichtiges erinnern, das sie gelernt haben. Die zweite Frage fällt vernichtend für die Schule aus: „Wo befanden Sie sich, als Sie das gelernt haben?“ Aus Auswertungen von früheren Seminaren weiß Birkenbihl, dass sich nur 6 Prozent an etwas aus der Schule erinnern. Und dann meist als Lehrer, der von Schülern gelernt hat!
Schule für Mädchen. Immer wieder erinnert die Trainerin die Anwesenden daran, was sie in ihrer Ausbildung gelernt haben und was sie selbst, Birkenbihl, davon hält – nämlich recht wenig. So sei es kein Wunder, dass Mädchen in der Schule besser abschneiden als Buben. Unser Schulsystem würde der Entwicklung von Mädchen näher kommen. Bei Buben entwickelt sich erst die Grobmotorik und später die Feinmotorik, bei Mädchen ist das umgekehrt. Schönschreiben ist also eine Mädchensache, für Buben ist das gar nicht möglich. Die müssten ihre Muskelmasse trainieren, von der sie mehr haben. Den Beweis liefert jede Schulklasse: Sobald die Pausenglocke klingelt,laufen die Buben raus, um sich zu bewegen, Mädchen sitzen beisammen und plaudern. Pausenglocken sind überhaupt nicht förderlich für die Art, wie unser Hirn arbeitet. Wenn Kinder alles liegen und stehen lassen dürfen, sobald die Klingel ertönt, kann für sie das, was sie gerade lernen, nicht so wichtig sein. Sonst würden sie ja nicht alles liegen und stehenlassen können. „Sie sind selbst Opfer desSystems“, so Birkenbihl zu den Lehrenden. „Sie waren selbst Schüler.“ Und Menschen lernen von Vorbildern, auch wenn seit Jahrzehnten andere Methoden erforscht werden.