Gespräch mit Weihbischof Dr. Anton Leichtfried, St. Pölten
Ausgabe: 2008/20, Bibel, Leichtfried, Schüller, Weihbischof Leichtfried, St. Pölten, Studentenseelsorger Helmut Schüller, Sendung der Kirche, Gesellschaftskritik, Pfarrgemeinden, Religionsunterricht, Heilige Schrift, Weltbischofssynode,
15.05.2008 - Das Gespräch führte Josef Wallner
Der St. Pöltener Weihbischof Anton Leichtfried nimmt im Herbst 2008 an der Weltbischofssynode in Rom teil. Das Treffen steht unter dem Thema „Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche“. Weihbischof Leichtfried erzählt, was die Bibel ihm persönlich bedeutet und er bittet die KirchenZeitungsleser/innen um ihre Mithilfe.
Wie haben Sie für sich die Bibel entdeckt? Leichtfried: Für mich ist die Bibel in der Zeit des Theologiestudiums lebendig geworden. Und zwar als ich begonnen habe, das Sonntagsevangelium zu lesen und zu meditieren. Da fing der Bibeltext zu leben an. Die biblischen Geschichten und Inhalte haben mich schon immer fasziniert, aber durch das persönliche Lesen ist eine besondere Beziehung zur Bibel gewachsen. Und gleichzeitig hat sich für mich dadurch auch die Sonntagsmesse verändert: Ich habe begonnen, mit Fragen hinzugehen, mit Erwartungen an die Predigt und mit der Bereitschaft, aus dem Wort Gottes leben zu wollen.
Ist es aber nicht so, dass die Schrifttexte an vielen Gottesdienstbesuchern einfach vorbeirauschen, ohne dass viel hängen bleibt? Ich weiß, dass das für viele eine Realität ist: Lesungen und Evangelium fahren vorbei wie ein Schnellzug. Das stellt eine Herausforderung für alle dar, die Schrifttexte vortragen – für Lektoren und Lektorinnen und auch für die Priester und Diakone. Wer eine Lesung vorträgt, muss sich vorbereiten: Nicht nur, dass ich fehlerfrei lese, sondern dass ich mir den Sinn des Textes bewusst mache. Lektor/-in zu sein ist ein wichtiger Dienst.
Wie halten Sie es selbst mit der Vorbereitung? Als Vorbereitung für die Wochentagsgottesdienste lese ich am Vorabend das Evangelium. Das kommende Sonntagsevangelium – so habe ich es mir zur Regel gemacht – beginne ich jeweils am Dienstag davor zu meditieren. Die Schriftstelle begleitet mich eine Woche, mit ihren Fragen und mit dem Versuch, sie zu leben. Daraus wächst im Laufe der Woche die Predigt. Ich habe als Regens den Luxus, dass ich den Tag mit einer stillen Gebetszeit beginnen kann. Die Seminargemeinschaft trifft sich um 6.30 Uhr, um 7 Uhr beten wir dann miteinander die Laudes.
Was könnten „normale“ Gottesdienstbesucher von Ihren Bibelerfahrungen lernen? Ein Vorschlag: das Sonntagsevangelium schon zu Hause durchzulesen. (Anmerkung: In der Kirchenzeitung findet man den Text mit einem Handgriff: genau in der Mitte der Zeitung). Und wenn es nur eine Minute ist – diese Minute macht sich bezahlt: ich gehe vielleicht mit einem Satz, der mich angesprochen hat, in den Gottesdienst, dann höre ich diesen Satz wieder im Evangelium, womöglich wird sogar in der Predigt darauf Bezug genommen. Und in der Kommunionstille dient mir dieses Wort als Anregung für mein Gebet. Wer mit einem Text der Heiligen Schrift so umgeht – ich glaube, da könnte etwas einfließen in den Rest der Woche. Die Verbindung von Wort Gottes und Leben ist entscheidend: dass wir von Gottes Wort geprägt, gestützt, entzündet und herausgefordert werden.
Wenn man Ihnen zuhört, ist klar: die Bibellesung ist fester Bestandteil Ihres Lebens. Was bedeutet Ihen die Bibel persönlich? Beim Bibellesen geht es um die Begegnung mit Christus. Die Heilige Schrift beschreibt nicht nur, was einmal gewesen ist. Wir Christen sind überzeugt: Wie Christus damals war, so ist er auch heute zu mir. Wie er damals Menschen an die Hand genommen hat, nimmt er auch mich, heilt mich, sendet mich. In der Schriftmeditation kann einsickern, wie Christus für mich da ist.
Die Bibel im Leben der Pfarrgemeinden, die Bibel im Religionsunterricht, die Bibel und ihre gesellschaftskritische und kirchenkritische Kraft – unübersehbar sind die Themen, die mit der Heiligen Schrift in Verbindung stehen. Für Ihre pastorale Arbeit scheint der Zusammenhang von Bibel und Eucharistie besonders wichtig zu sein? Ja, so ist es. Weil ich da nicht erst mühsam neue Initiativen erfinden muss, sondern dort anknüpfen kann, wo viele mit der Bibel schon in Kontakt sind: bei der Sonntagsmesse. Das scheint mir der einfachste und wirksamste Weg zu sein.
Was erwarten Sie von der Weltbischofssynode im Oktober? Den Austausch mit Bischöfen aus der ganzen Welt stelle ich mir spannend vor. Das Hauptaugenmerk möchte ich – wie gesagt – auf den Zusammenhang von Sonntagsevangelium und täglichem Leben richten. Das II. Vatikanische Konzil beschreibt in einem sehr schönen Bild den Wortgottesdienst der Messe als Tisch des Wortes. Ich wünsche, dass wir uns über Initiativen zum Tisch des Wortes austauschen: dass der Tisch einladend gedeckt ist und für viele zur Nahrung wird. In diesem Sinne werde ich mich auch vorbereiten und bitte, dass Sie mir Ihre Erfahrungen und Überlegungen mitteilen.
Zur Person
Dr. Anton Leichtfried
Anton Leichtfried (geb. 1967) stammt aus Purgstall/Erlauf (NÖ). 1991 wurde er in Rom zum Priester geweiht. Seit 2005 ist er Regens des Priesterseminars St. Pölten. Im Februar 2007 empfing er die Bischofsweihe. In der Österreichischen Bischofskonferenz ist er für Priester, Priesterfortbildung, als Ansprechpartner der Priesterräte und für Ständige Diakone zuständig.
Aktion
Ihre Erfahrungen mit der Heiligen Schrift
Weihbischof Anton Leichtfried bittet, ihm von Ihren Erfahrungen mit der Heiligen Schrift zu schreiben. Er möchte sie in die Vorbereitung auf die Weltbischofssynode aufnehmen.
- Was bedeutet mir die Bibel?
- Was ist für mich das größte Hindernis, die Bibel zu lesen?
- Wie kann das Wort Gottes in der Kirche lebendiger werden, wo fordert uns die Bibel als Kirche heraus?
- Zu den Schriftlesungen des Sonntags: Was hilft Ihnen, dass das Sonntagsevangelium Ihr tägliches Leben beeinflusst? Gibt es Modelle von Gruppen oder ganzen Pfarren, damit umzugehen?
Alle Stellungnahmen werden wir an Weihbischof Leichtfried weiterleiten.
Die Aktion „Schreiben Sie Ihre Erfahrungen mit der Bibel“ zur Vorbereitung der Weltbischofssynode ist ein Gemeinschaftsprojekt der KirchenZeitung und des Bibelwerks der Diözese Linz.