Ökumenisches Gedenken in Lund. Aus der Serie "Zum Stand des ökumenischen Dialogs" von Wolfgang Thönissen, Teil 3 von 4.
Ausgabe: 2016/40
04.10.2016
Es gehört zur Tragik und zur Schuldgeschichte der Kirche, dass der Streit um die Wahrheit des Evangeliums oft so geführt worden ist, dass man in der Polemik auch Unwahrheiten oder Verzerrungen übereinander verbreitet hat. Deshalb ist eine Heilung der Erinnerung nötig. Bereits in seiner Botschaft an den Reichstag in Nürnberg am 25. November 1522 beklagte Papst Hadrian VI. Missbräuche und Vergehen, Sünden und Fehler, sofern kirchliche Autoritäten sie begangen hatten. 1963 hat Papst Paul VI. in seiner Eröffnungsrede zur zweiten Sitzung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) die getrennten Brüder des Ostens, die orthodoxen Kirchen, um Verzeihung gebeten. In ähnlicher Weise hat Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000 im Blick auf die Sünde der Trennung Schuld anerkannt und bat Gott um Vergebung. Papst Benedikt XVI. wies 2011 bei seinem Besuch im Erfurter Augustinerkloster auf den Konfessionalismus der Trennungen hin und würdigte ausdrücklich Martin Luther als aufrichtigen Gottsucher.
Vergebung wechselseitiger Schuld
Papst Franziskus hat die Einladung zu einer Begegnung mit den Repräsentanten des Lutherischen Weltbundes, der vor siebzig Jahren in Lund/Schweden gegründet wurde, angenommen. Gemeinsam mit Vertretern des Lutherischen Weltbundes wird Papst Franziskus im Vorblick auf den 500. Jahrestag der Reformation, am 31. Oktober 2016, im schwedischen Lund einen ökumenischen Gottesdienst begehen. Er schlägt für die Gestaltung eine ökumenische Gedenkfeier vor, sowohl der Freude über den ökumenischen Weg Ausdruck zu geben als auch das gemeinsame Gebet und eine Bitte zur Vergebung für die wechselseitige Schuld vorzubringen.
Gemeinsames Zeugnis
Ungeachtet der theologischen Differenzen, die in verschiedenen Glaubensfragen noch bestehen, ist das Leben der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die heute einen gemeinsamen ökumenischen Weg beschreiten, von Zusammenarbeit und geschwisterlichem Miteinander gekennzeichnet. Im Jahr 2017 haben Lutheraner und Katholiken daher zum ersten Mal die Möglichkeit, weltweit ein und dasselbe ökumenische Gedenken zu halten, nicht in Form einer triumphalistischen Feier, sondern als Bekenntnis des gemeinsamen Glaubens an den dreieinen Gott. Im Mittelpunkt des ökumenischen Gottesdienstes zum gemeinsamen Reformationsgedenken in Lund am 31. Oktober 2016 werden Dank und Klage, Freude und Buße das liturgische Geschehen bestimmen. Dabei kommt einerseits der Dank zum Ausdruck, dass die christlichen Gaben, die evangelische Christen durch die Reformation empfangen haben, erhalten wurden. Auch Katholiken können in diesen Dank einstimmen. Dank und Klage stehen jedoch nicht allein. Sie führen zum gemeinsamen Zeugnis und zur gemeinsamen Verpflichtung einander gegenüber und für die Welt. Im Mittelpunkt steht das gemeinsame Zeugnis für Christus.