Der Nahostkonflikt ist ein Dauerbrenner. Wie erleben Israelis und Palästinenser die Situation? – Eindrücke aus dem „Heiligen Land“ nach der Konferenz von Annapolis.
„Was sagen denn die über uns?“ fragt der arabische Taxifahrer in Jerusalem, als er merkt, dass sein Fahrgast einige Tage mit einer Reisegruppe unterwegs war, die von einem jüdischen Führer geleitet wurde. „Die“ sind die jüdischen Staatsbürger Israels, die große Mehrheit von 80 Prozent der Bewohner des Landes. „Uns“ ist etwas vielschichtiger. „Uns“ bezeichnet einmal die Palästinenser, die seit der Eroberung des Ostteils von Jerusalem im Sechstagekrieg von 1967 und der späteren Ausrufung Jerusalems zur ungeteilten Hauptstadt Israels zu arabischen Bürgern Israels wurden. „Uns“ meint auch alle weiteren mehr als drei Millionen Palästinenser, die in den Autonomiegebieten des Westjordanlandes und im Gazastreifen leben.
Fremde Nachbarn. Dass der arabische Taxifahrer einen Touristen braucht, um zu erfahren, was die Juden, wie er sie nennt, über die Palästinenser denken, ist bezeichnend für die Situation. Vor allem ist es aber tragisch. Denn er hat vermutlich wirklich keine Kontakte zu seinen jüdischen Mitbewohnern von Jerusalem. Ein Araber sieht in aller Regel keinen Grund, ein jüdisches Stadtviertel zu betreten, und umgekehrt. Politikwissenschafter beider Seiten stimmen überein, dass die Kontakte zwischen Palästinensern und Israelis, zwischen jüdischen und arabischen Staatsbürgern Israels deutlich abgenommen haben. Was der Taxifahrer erlebt, ist typisch – das Leben in parallelen Welten. Und zu allem kommt noch die von Israel errichtete „Mauer“, die unübersehbar zum Ausdruck bringt, was zwischen den Autonomiegebieten und Israel politische Realität ist: die Trennung.
Frieden muss man spüren. Unzweifelhaft sind die Palästinenser jene Partner am Verhandlungstisch, die sich im Alltag dem Diktat des israelischen Militärs zu beugen haben. Dass sie Friedensgesprächen in den fernen USA – wie vor zwei Wochen in Annapolis – besonders skeptisch gegenüberstehen, ist verständlich. Sie möchten Ergebnisse spüren: Baugenehmigungen für Häuser, Passierscheine für die Mauer und Arbeitsgenehmigungen. Mit dem Versprechen eines unabhängigen Staates Palästina, der etwa so groß wie das Burgenland wäre, ist es nicht getan. Die Unabhängigkeit allein ernährt keine Familie. Friede braucht von israelischer Seite die Vorleistung einer „Öffnung der Mauer“, die Terroristen abhalten soll. Ob dieser Schritt in der jüdischen Gesellschaft mehrheitsfähig ist, ist schwer einzuschätzen. Die Zukunft entscheidet sich jedenfalls daran. Eine Palästinenserin bringt es auf den Punkt: „Friede ist dann, wenn ich ein Loch in der Mauer sehe.“
Zur Sache
Konfliktmüde, aber hoffnungslos
Zuerst von den Medien totgeschrieben hat die Nahostkonferenz in Annapolis (27. November 2007) doch ein Aufatmen in Israel und Palästina gebracht. Beide Seiten – Israels Ministerpräsident Ehud Olmert und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas – haben gemeinsam und vor unzähligen TV-Stationen bekannt: Wir wollen Frieden. Das scheint nach Jahrzehnten von Kämpfen, Besatzung, Terror und tausenden Toten lächerlich wenig zu sein, trotzdem wurde es von der Mehrheit der Palästinenser wie Israelis positiv aufgenommen. Doch vierzehn Tage nach der Konferenz findet sich in den Medien kaum mehr das Wort Annapolis, weder in den israelischen noch in den palästinensischen. Die Menschen auf beiden Seiten sind müde und doch glauben sie nicht mehr daran, dass der Konflikt friedlich beendet werden kann, erklärt Johannes Zang. Zang lebt als Organist und Journalist seit Jahren in Jerusalem. Fast 40 Prozent der Israelis können nicht sagen, ob Annapolis ein Erfolg oder ein Misserfolg war, ergab eine Umfrage der israelischen Tageszeitung Haaretz. Auf palästinensischer Seite wird es ähnlich sein, meint Zang. Mittwoch, den 12. Dezember, begannen die ersten Umsetzungsgespräche in Jerusalem. Zang: „Soll der Prozess Erfolg haben, braucht es den Mut zu praktischen Schritten.“