Seit 1. September ist Mag. Gabriele Eder-Cakl Leiterin des Pastoralamtes in der Diözese Linz – und damit „Chefin“ für rund 300 Mitarbeiter/innen in den Einrichtungen des Amtes. Von Pessimismus will sie sich nicht anstecken lassen, denn: „Es gibt so viel, das wir nur nicht sehen.“
Ausgabe: 2017/37
12.09.2017 - Interview: Matthäus Fellinger
Wie fühlt es sich an, Pastoralamtsleiterin zu sein?Mag. Gabriele Eder-Cakl: Am 1. September bin ich sehr wohlwollend im Haus empfangen worden. Das war so schön. Danke dafür. Es ist eine große Managementaufgabe. Das ist mir in den ersten Tagen schon deutlich geworden. Das Feuer dafür brennt in mir. Ich bin überzeugt, dass wir diesen Weg mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gut gehen werden.
Ist es mehr Management, als Sie sich dachten?Eder-Cakl: Es sind doch um die 300 Mitarbeiter/innen mit sehr vielfältigen Aufgaben. Die Vielfalt und Freundlichkeit der Diözese und des Pastoralamtes habe ich immer geschätzt. Dafür mag ich mich einsetzen, mit Engagement, auch mit meinem theologischen Eifer. Wir leisten einen großen Dienst für die Diözese und für Oberösterreich.
Für Oberösterreich in welchem Sinne?Eder-Cakl: Ich glaube, dass das Land durch unser Engagement sehr profitiert, zum Beispiel im Bildungsbereich oder in der Lebens- und Beziehungsberatung. Eine Aufgabe ist jetzt, dass wir Polarisierungen entgegenwirken, dass wir Farbe ins Schwarz-weiß-Denken bringen, dass wir Demokratie stützen. Den Dialog der Religionen müssen wir ebenso stützen, besonders mit Judentum und Islam. Es gibt in Oberöstereich dazu einen Schwerpunkt in der Erwachsenenbildung. Die kirchlichen Angebote zu diesem Thema machen dabei rund zwei Drittel aus.
Papst Franziskus hat die Bürokratisierung in der Kirche kritisiert und vor Erstarrung gewarnt. Sehen Sie die Gefahr solcher Erstarrung bei uns?Eder-Cakl: Mir ist es ein großes Anliegen, auf die Menschen offen zuzugehen, sie so wahrzunehmen, wie sie sind. Ich sehe so viele Seelsorgerinnen und Seelsorger, die ganz nah bei den Menschen sind. Darum geht es uns auch im Pastoralamt. Wir können das noch verstärken. Die Gefahr der Bürokratisierung sehe ich so nicht.
Was sind Ihre ersten Vorhaben?Eder-Cakl: Zu Beginn möchte ich vor allem motivieren, für die gemeinsame Sache des Evangeliums einzutreten – im Pastoralamt, aber auch im Blick auf die ganze Diözese. Wir müssen die Köpfe zusammenstecken und uns fragen: Was ist unsere gemeinsame Sache? Was ist unsere Vision? Kirche ist Zeichen und Werkzeug der Liebe Christi zu uns, wir sind die Botschafterinnen dafür.
Zweitens geht es mir darum, die Realität zu sehen, wie sie ist. Was bewegt die Menschen? Wo kann ich anknüpfen? Da braucht es oft auch einen anderen Blick. Ich habe gerade so viele Bilder beim Propheten Jesaja gelesen, der einerseits die Größe Gottes darstellt und der auch die Zusage Gottes gibt, dass wir die richtigen Wege finden, nicht matt oder müde werden. Propheten sehen die Realität sehr gut.
Propheten üben auch Kritik und sagen, was nicht o. k. ist.Eder-Cakl: Ja. Sie zeigen auf, was Sache ist, und benennen das deutlich. Es gilt, den Blick zu weiten. Es gibt nicht nur Schwarz-weiß. Unterschiede dürfen sein, auch unter den Religionen. Entgegenwirken können wir der Tendenz heute, es müsse alles stärker, größer, schneller werden. Wir können sagen: Es ist auch einmal gut, wie es ist.
Menschen definieren ihr Verhältnis zur Kirche zunehmend loser. Pfarren beklagen: Nur mehr wenige Leute kommen. Verliert gerade die Kirche ihren entscheidenden Wesenszug: dass sie Gemeinschaft ist? Eder-Cakl: Es kommt auf den Blickwinkel an. Ich sehe, dass viele Menschen unsere Dienste brauchen und suchen, doch oft nicht mehr so, wie wir uns das in den letzten 50 Jahren vorgestellt haben. Sie kommen vielleicht zu einer Spielgruppe, freuen sich über eine Frauenrunde. Ich sehe sehr wohl, dass Menschen die Gemeinschaft suchen, auch dass sie Gottesdienste sehr schätzen. Ein Kindergottesdienst hat oft viele Besucher/innen, weil es verständlich dort zugeht. Es ist unsre Aufgabe, uns verständlich zu machen. Vor Kurzem hat jemand gemeint, das Evangelium hätte keine Bedeutung mehr. Das glaube ich überhaupt nicht. Ich fahre viel in der Straßenbahn und wundere mich dabei oft, wie viele Gespräche mit religiösem Hintergrund ich da erlebe.
Das Pastoralamt ist zu einem guten Teil Dienstleistungsstelle für die Pfarren. Manche fordern: Weniger Personal in die Zentralen, dafür mehr in die Pfarren. Teilen Sie diese Sicht?Eder-Cakl: Eine schwierige Frage. Ich halte die Arbeit des Pastoralamtes grundsätzlich für sinnvoll. Das Leben der Kirche vor Ort, in den Pfarren, muss gepflegt und unterstützt werden. Vor allem muss klar sein: Wo wollen wir hin? Diese Frage betrifft die ganze Diözese.
Sie sind für ca. 300 Angestellte Dienstgeberin – mit den Bildungshäusern, Beratungseinrichtungen. Könnten Sie sich auch ein deutlich kleineres Pastoralamt vorstellen?Eder-Cakl: Nein. Ich sehe die Vielfalt und die gute Arbeiten hier. Es braucht eine gemeinsame Vision und eine gemeinsame Anstrengung in der Diözese. Da ist das Pastoralamt ein Teil der Diözese.
Zunehmend mehr in der Kirche geschieht ehrenamtlich. Wo hat das Ehrenamt seine Grenzen?Eder-Cakl: Ehrenamtliche haben Grenzen, energiemäßig und zeitlich. Und sie reagieren empfindlich, wenn sie nur Lücken füllen müssen. Unsere Mitarbeiter/innen unterstützen und schützen Ehrenamtliche. Ich komme mit oft hochengagierten Ehrenamtlichen zusammen. Sie müssen schauen, dass sie das richtige Maß finden.
Wo liegt das richtige Maß?Eder-Cakl: Wenn man das Feuer nicht mehr spürt, ist die Grenze überschritten. Heute ist das Ehrenamt kurzlebiger, projektbezogen. Das ist auch gut so. Sehen wir die Realität, wie sie ist, als Chance. Ich bin überzeugt: Uns fällt etwas ein. Es gibt viel, was wir noch nicht sehen. Ein Beispiel: Ich habe in Holland einmal ein Weltraummuseum besucht. Da war ein türgroßes Bild mit Tausenden Galaxien. Der Chef dort sagte, dass das Hubble-Teleskop einen stecknadelgroßen schwarzen Punkt im All 14 Tage lang belichtet hat. Herausgekommen sind Tausende Galaxien. Das ist ein absolut aufbauendes Bild. Man denkt, es ist nur ein schwarzer Punkt. Doch es eröffnen sich Welten.
Sie haben Familie: drei Kinder, einen Mann, der auch Theologe ist. Trennen oder verbinden Sie eher Familie und Beruf?Eder-Cakl: Das ist nicht so leicht. Ich lebe in verschiedenen Facetten meines Lebens: Beruf, Familie, Hobbys, Natur. Wenn ich heute mit den Lehrlingen im Pastoralamt zusammen bin: Unsere drei Kinder sind im selben Alter. Natürlich spielt das alles ineinander. Manchmal gibt es ganz klare Grenzen. Manchmal vermischt es sich, und manchmal verdichtet sich alles zusammen, wird fast zum Gebet, zum Danke für so viele gute Facetten des Lebens. «