Der Reichtum der Pflanzen besteht nicht nur in der direkten Nutzbarkeit für den Menschen. Sie sind Ausdruck der schöpferischen Liebe Gottes.
Aus der Serie "Flora und Fauna in Bibel und Kirchentradition", Teil 2 von 4.
Ausgabe: 2016/35, Flora und Fauna, Pflanzen in der Bibel, Pflanzen
30.08.2016 - Heinz Niederleitner
Was ist Reichtum? Das 5. Buch Mose beschreibt das Land Kanaan als reich. Unter anderem steht dort (8,8), es sei „ein Land mit Weizen und Gerste, mit Weinstock, Feigenbaum und Granatbaum, ein Land mit Ölbaum und Honig“. In dieser Aufzählung kommen Pflanzen vor, die in der Heiligen Schrift oft genannt werden. Insgesamt finden sich dort zwischen 110 und 130 verschiedene Pflanzen bzw. Pflanzengruppen. Weil manchmal unklar bleibt, was gemeint ist, kann man keine genaue Zahl nennen. Im Schöpfungsbericht entstehen Pflanzen schon vor Sonne und Mond (Gen 1,11)! In der anfänglichen Harmonie mit Gott darf der Mensch im Garten Eden leben, in dem „allerlei Bäume“ mit „köstlichen Früchten“ wachsen (Gen 2,9). Dass die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis ein Apfel gewesen sei, sagt die Bibel aber nicht.
Mit der Feige fängt es an
Die erste namentlich in er Bibel auftauchende Pflanze ist der Feigenbaum mit seinen Blättern (Gen 3,7). Er gehört auch zu den eingangs erwähnten Gewächsen aus dem Land Kanaan. Der im Vergleich teurere Weizen (2 Kön 7,1 bzw. Offb 6,6) steht in dieser Liste vor der Gerste. Getreide ist für Jesus ein wichtiges Bild in den Gleichnissen (Aussaat, Umgang mit Unkraut, Ernte ...), er selbst deutet seinen Tod und seine Auferstehung damit: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12,24). Der Granatapfel gilt wegen seines Samenreichtums als Symbol der Fruchtbarkeit. Legendenhaft sollen es 613 Samen sein, also so viele wie die Gesetze des Judentums. Das stimmt zwar nicht exakt, doch schmücken stilisierte Granatäpfel (Rimonim) auch heute die Thorarollen in Synagogen – so wie sie den Tempel (1 Kön 7,18) und die Priesterkleider (Ex 28, 33–34) schmückten.
Vielseitiger Ölbaum
Der Ölbaum in der Flora entspricht wegen seiner vielseitigen Nutzung dem Schaf in der Fauna: Seine Früchte (Oliven) wurden schon zu biblischen Zeit vor allem zu Öl gepresst. Dieses dient zur Essenszubereitung (1 Kön 17,12), in Öllampen zum Beleuchten (z.B. Lev 24,2) und mit Zusatzstoffen zum Salben (Ex 30,22–25). Chrisamöl, Katechumenenöl und Krankenöl basieren auch heute auf Olivenöl. Entsprechend zahlreich kommen der Ölbaum oder Produkte aus seinen Früchten in der Bibel vor. Jesus zieht sich vor seinem Sterben in den Garten Getsemani am Ölberg in Jerusalem zurück (z.B. Mk 14,26 und 32). Dort kann man heute noch Ölbäume sehen, die mindestens tausend Jahre alt sind – vielleicht sogar so alt, dass sie zur Zeit Jesu schon dort standen. Bis heute ist der Olivenzweig, den die Taube dem Noach (Noah) brachte (Gen 8,11) ein Friedenssymbol. Wenn heute in einem Konflikt im Nahen Osten Olivenbäume gefällt werden, erzeugt das Unfrieden: Ein Olivenbaum braucht Jahrzehnte, um ertragreich zu werden.
„Frucht des Weinstocks“
Wie das Getreide ist auch der Wein ein häufiges Symbol in Jesu Gleichnissen (Weinberg, Weinstock/Reben, Winzer ...). Einen Weinberg legte Noach (Noah) an – Rausch inklusive (Gen 9,20–21). Gleichzeitig ist Wein ein Zeichen menschlicher (Vor-)Freude. Beim Letzten Abendmahl sagt Christus: „Ich werde nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken bis zu dem Tag, an dem ich von neuem davon trinke im Reich Gottes“ (Mk 14,25). Bleibt aus der am Anfang zitierten Auflistung noch der Honig. Ist das nicht eigentlich ein tierisches Produkt? Gemeint ist an der Stelle im 5. Buch Mose vermutlich der Dattelsirup. Die Dattelpalme, die sich nach Stürmen wieder aufrichtet und sogar einen geringen Salzgehalt in Wasser und Boden erträgt, wird nicht zu Unrecht hoch geehrt.
Lernen
Bei all den Nutzpflanzen soll nicht ausgeklammert werden: Der Reichtum der Pflanzen besteht nicht nur in der direkten Nutzbarkeit für den Menschen. Sie sind Ausdruck der schöpferischen Liebe Gottes: „Lernt von den Lilien, die auf dem Feld wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: Selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen“ (Mt 6,28–29). Wenn übrigens in der Bibel oft von den Zedern des Libanon die Rede ist (heute ist eine auf der Staatsflagge zu sehen), kann die Menschheit ein schlechtes Gewissen bekommen: Schon im Altertum waren im Libanon die Folgen der Abholzung sichtbar. Hier wurde der Reichtum der Schöpfung verschwendet.