Monsignore Leo Maasburg, scheidender Nationaldirektor von Missio Österreich, war mehrere Jahre geistlicher Begleiter und Beichtvater von Mutter Teresa. Im Interview erinnert er sich.
Ausgabe: 2016/35, Mutter Theresa, Heiligsprechung,
30.08.2016 - Interview: Heinz Niederleitner
Jeder kennt heute die Bilder von Mutter Teresa, sie ist eine Ikone. Doch wie war sie als Person? Maasburg: Ich habe das in einem Buch (siehe unten) zu erklären versucht. Der erste Eindruck einer „liebevollen Großmutter“ ist zwar nicht falsch. Aber Mutter Teresa war viel mehr: Sie hatte weltweit mit verschiedensten Menschen zu tun und konnte allen das Gefühl vermitteln, sich ausschließlich auf sie zu konzentrieren. Das lag an der liebevollen Zuwendung zu jedem, dem sie begegnete.
Man sieht sie auf den Bilder meist im direkten Dienst an den Armen. Aber war sie nicht auch eine große Organisatorin? Ja, und sie konnte unzählige Menschen motivieren, Jesus in den Ärmsten der Armen zu dienen. Ihre Organisation stand auf einem spirituellen Fundament. Sie hat nach dem Jesus-Wort gelebt: „Was ihr den Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Die 592 zu ihren Lebzeiten entstandenen Häusern hat sie nicht als „Niederlassungen“ bezeichnet, sondern gesagt: „Wir haben Jesus einen Tabernakel gebaut.“ Das Zentrum ihres Wirkens war Jesus: in den Armen wie im Allerheiligsten.
War bei so viel Selbsthingabe in der Spiritualität Mutter Teresas Platz für das eigene Ich? Völlige Hingabe und liebevolles Vertrauen sind zusammen mit der Fröhlichkeit zwei wichtige Säulen ihrer Spiritualität. Sie hat sich dabei durchaus auch selbst gesehen, aber als Geschenk der Hingabe an die anderen – genau genommen an Christus selbst, den sie in den Armen real gesehen hat.
Und dennoch tauchten in ihren Aufzeichnungen Erfahrungen der Gottverlassenheit auf ... Selbst jene von uns, die das mystische Phänomen der Nacht der Seele kannten, konnten nicht vermuten, dass es dies bei Mutter Teresa geben könnte. Bei Mutter Teresa ist die lange Dauer von mindestens 35 Jahren überraschend. Man darf das aber nicht in dem Sinne missverstehen, dass sie ihren Glauben verloren hätte. Manche Heilige dürfen den Leidensweg Christi, der zur Erlösung führt, mitgehen, und Mutter Teresas Charisma war das Mitfühlen der Verlassenheit Jesu im Garten Getsemani.
Wollte sie Menschen zum Christentum bekehren? Sie hat das in einem eigenen Sinne so gesehen und soll gesagt haben: „Am Anfang dachte ich, ich müsste Menschen bekehren. Dann erkannte ich: Ich muss sie nur lieben und die Liebe bekehrt, wen sie will.“ Sie hat erkannt, dass das Christentum der Glaube an den Versuch Gottes ist, die Menschen in die göttliche Sphäre hineinzuziehen. Sie wollte Menschen näher zu Gott führen. Grundlegend war für sie die Frage: Kann ich ohne Gott Gutes tun? Sie hat nie jemandem abgesprochen, nach seinem eigenen Verständnis Gutes zu tun. Aber für sich hat sie die Frage eindeutig beantwortet.
Ist die Heiligsprechung die logische Folge der Seligsprechung aus dem Jahr 2003? Die Seligsprechung hat die Fakten auf den Tisch gelegt und gesagt: Diese Person spiegelt in ihrem ganzen Leben die christliche Lehre und die Heiligung in der Nachfolge Christi in außergewöhnlicher Weise wider. Die Heiligsprechung macht zudem aus dem persönlichen Zeugnis von Mutter Teresa ein Zeugnis der gesamten Kirche. Das liegt ganz auf der Linie von Papst Franziskus. Er spricht ja oft von der Zärtlichkeit der Liebe Gottes. Mutter Teresa hat gesagt: „Es gibt keine größere Macht auf der Welt als die Macht der Zärtlichkeit.“
Was ist Ihre stärkste Erinnerung an Mutter Teresa? Ihre Versöhntheit! Sie hat einmal gesagt: „Eine Sünde musste ich nie beichten: Jemanden verurteilt zu haben.“ Und: „Wenn ich einen Menschen verurteile, habe ich keine Zeit, ihn zu lieben.“ Bei aller Kritik an Zuständen hat sie nie ein Urteil über Menschen gefällt. Das ist ein Friedenselement, das wir heute sehr notwendig haben.
Buch: L. Maasburg: „Mutter Teresa. Die wunderbaren Geschichten“. Bestellmöglichkeit: www.missio.at/bestellung, Tel. 01/513 77 22.