„Was mache ich mit meiner freien Zeit?“, fragte sich Astrid Multerberger kurz vor ihrer Pensionierung. Dann ging sie sechs Monate nach Moldawien. Der freiwillige Auslandsdienst hat ihr viel gegeben. Am 14. September spricht sie darüber in Linz.
Ausgabe: 2017/36
05.09.2017 - Christine Grüll
Im Winter ist im Dorf Sarmingstein wenig los. Auch im Garten ist naturgemäß nicht viel zu tun. Daran hat Astrid Multerberger gedacht, als der Tag ihrer Pensionierung näherrückte. Dann hörte sie im Radio einen Beitrag über den freiwilligen Auslandsdienst. Astrid Multerberger hat sich gemeldet. Sie wollte ihre freie Zeit und ihre Kräfte sinnvoll nutzen. Ein paar Monate später traf sie in Moldawien ein.
Für Juri geht die Sonne auf
„Etwas Besseres hätte mir nicht passieren können“, sagt die pensionierte Ergotherapeutin. Mit Wehmut denkt sie an ihre „Familie“ in Moldawien, an die alten und pflegebedürftigen Menschen, die sie sechs Monate lang in einem Wohnheim betreut hat. „Ich habe unheimlich viel zurückbekommen.“ Zum Beispiel Juris Freude, wenn sie das Zimmer betreten hat. Dann legte der halbseitig gelähmte Mann seine Hand aufs Herz. Wenn sie kam, ging für ihn die Sonne auf, sollte das heißen. Von Oktober bis April 2017 hat sie ihn regelmäßig massiert. Schließlich war sein Körper so weit, Bett und Sessel zu verlassen, am Fenster zu stehen und hinauszuschauen. Die Freude über diesen „Perspektivenwechsel“ kann man sich gar nicht vorstellen, sagt Astrid Multerberger. Ihre Berufserfahrung hat Früchte getragen.
Zuneigung und Achtung
Die Organisation Voluntaris wurde gegründet, damit ältere Menschen ihre Lebens- und ihre Berufserfahrung in einem Auslandseinsatz einbringen können. Das Motto lautet: „Weltweit Erfahrung teilen“. Das unterscheidet sie von den meisten Auslandsdiensten, die sich an junge Menschen richten. Die Freiwilligen von Voluntaris sind durchschnittlich 57 Jahre alt. Ihre Erfahrung nützt den Projektpartnern in den jeweiligen Ländern – die Freiwilligen müssen nicht angelernt werden. Auch Astrid Multerberger wurde sofort als Ergotherapeutin eingesetzt. Sie kam nach zwei Wochen Rumänisch-Unterricht in der moldawischen Hauptstadt Chisinau an. „Ich wurde unheimlich herzlich empfangen, wie heiß ersehnt“, erzählt sie. Nach einer Reihe von jungen Kurzzeitvoluntären war sie die erste, die älter war und länger blieb. Fünf Tage in der Woche war sie mit den Menschen zusammen, hat sie geduscht, beim Essen unterstützt, massiert oder war einfach nur da. Am Wochenende hat sie das Umland und die „wunderschönen Klöster“ erkundet. Montags wurde sie wieder sehnsüchtig erwartet. Astrid Multerberger hat mit dem mobilen Dienst Menschen zu Hause besucht. Sie hat die Armut gesehen, die kalten Öfen in den Häusern, weil das Holz fehlt. Am meisten Zeit hat sie aber im Tageszentrum und im Wohnheim verbracht. „Es ist ein so tolles Erlebnis, diese Zuneigung, Liebe und Achtung zu bekommen“, sagt Astrid Multerberger. Ein halbes Jahr lang hat sie in einer Gemeinschaft gelebt. Die Männer und Frauen hat sie als Familie empfunden. Das zeigt sich auch in dem Kosenamen, den ihr die Bewohner/innen gegeben haben: „Dotschka“, das russische Wort für Töchterchen. «
- Infoabend: Am Donnerstag, 14. September 2017, um 18 Uhr spricht Astrid Multerberger über ihre Erfahrungen im Unabhängigen Landesfreiwilligenzentrum ULF am Martin-Luther-Platz 3 in Linz, www.voluntaris.atZur Sache
Von Oberösterreich in die Welt
Der Auslandsdienst „Voluntaris“ wendet sich an Menschen mit langjähriger Lebens- und Berufserfahrung. Im Gegensatz dazu lädt „VOLONTARIAT bewegt“ junge Menschen ein, im Ausland tätig zu sein. Der Auslandsdienst ist eine Initiative von Jugend Eine Welt und den Salesianern Don Boscos. Im vergangenen Juli haben 23 junge Erwachsene einen Freiwilligendienst im Ausland angetreten. Neun davon kommen aus der Diözese Linz: Florian Birklbauer (Hofkirchen i. Traunkreis), Tobias Fröschl (Grein), Lukas Kamleithner (Steyr), Lucas Vorhausberger (Tiefgraben), Xaver Seiringer (St. Georgen bei Obernberg), Andreas Gassner (Bad Kreuzen), Anna Schriefl (Raab), Theresa Harrer (Meggenhofen) und Helene Weissensteiner (Gaflenz).