Das Österreicherinnen-Team in Kasachstan (von links): Sr. Elfriede Möseneder, Magdalena Hörfarter (Volontärin bis Juli 2006), Sr. Johanna Pobitzer und Sr. Herma Schaumberger. (Foto: Franziskanerinnen)
Dort, wo die Straße aufhört, liegt Tonkoschurowka, ein 300-Seelen-Dorf in der Steppe Kasachstans. „Der Ort liegt am Ende der Welt, aber er ist nicht gottverlassen. Das wollen wir den Menschen durch unser Dasein zeigen“, sagt Sr. Johanna Pobitzer. Die Franziskanerin von Vöcklabruck lebt mit zwei Mitschwestern seit vier Jahren in Tonkoschurowka. Im dreißig Kilometer entfernten Korneewka ist sie als stellvertretende Direktorin für eine Mittelschule verantwortlich, die die Franziskanerinnen mitaufgebaut haben.
JOSEF WALLNER
Das Dorf Tonkoschurowka mit seinen 300 Einwohnern ist ein verkleinertes Spiegelbild der gesamten Republik Kasachstan. Neben Kasachen wohnen dort Russen, dazu kommen Armenier, Ukrainer, Polen, Menschen aus Usbekistan und Aserbaidschan sowie zwei deutschstämmige Familien. Und mittendrin drei Ordensfrauen aus Vöcklabruck. „Ich bin überzeugt, dass wir als Franziskanerinnen dort hingehören, zu den Menschen, die am Rand leben, die wenig Perspektive für die Zukunft haben“, sagt Sr. Johanna Pobitzer. Die 36-jährige Franziskanerin stammt aus Tumeltsham, ist Mittelschulprofessorin für Latein und Religion und wohnt mit Sr. Herma Schaumberger und Sr. Elfriede Möseneder in einem ziegelroten Backsteinbau in Tonkoschurowka.
Unscheinbare Berufung
Sr. Johanna: „Es ist eine unscheinbare Berufung, die keine großen Erfolge und strahlenden Leistungen vorzuweisen hat, die aber im Geheimnis Gottes wurzelt.“ Mag ihr Leben unscheinbar sein, übersehen kann man die Anwesenheit der Schwestern im Dorf nicht. Wo immer es geht, versuchen sie den Bewohnern bei den alltäglichen kleinen und großen Nöten beizustehen: Sie konnten einen Kindergarten einrichten, an den Nachmittagen finden die Schüler/innen eine sinnvolle Freizeitgestaltung, in einem Nebenraum der Kirche wurde ein einfaches Geschäft eröffnet und die „Mutter, Elmara-Ambulanz“ hilft bei der medizinischen Betreuung. Dass drei Franziskanerinnen mehr als 1.000 Kilometer von Kasachstans Hauptstadt Almaty entfernt in einem völlig bedeutungslosen Dorf leben, hängt mit dem Berliner Priester Lorenz Gawol zusammen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion und ermöglicht durch die Freiheit, die die politischen Umwälzungen brachten, ging er in die neu entstandene Republik Kasachstan, um als Seelsorger für die „Wolgadeutschen“ zu wirken.
Kasachstan lässt die Schwestern nicht mehr los
Tonkoschurowka war eines dieser deutschen Dörfer mit damals noch tausend deutschsprachigen Einwohnern. Von 1995 bis 1997 unterstützten Pfarrer Gawol zwei Vöcklabrucker Franziskanerinnen bei seiner Pastoralarbeit. Die Weihe einer Kirche und eines Pfarrhauses im Jahr 1997 waren der Höhepunkt und zugleich das Ende des Einsatzes in Tonkoschurowka. Bis auf wenige Familien haben alle das Auswanderungsangebot der deutschen Regierung angenommen. Doch Kasachstan hat die Franziskanerinnen nicht mehr losgelassen. Die Mittelschule in Korneewka, die ebenfalls Pfarrer Gawol im Jahr 1996 gegründet hatte, unterstützen sie von Anfang an finanziell. Die Kongregation zahlt bis heute die Gehälter der Lehrer/innen.Seit die Schwestern 2001 wieder zurückkamen, gehört Sr. Johanna zur Leitung der „St. Lorenz“-Mittelschule. Im kommenden Schuljahr werden die ersten Jugendlichen die Hochschulreife erreichen. „Nach dem Ende der kommunistischen Ära ist vor allem die Verherrlichung des Konsums über die Leute hereingeschwappt“, erklärt Sr. Johanna: „Wir versuchen, dass die Menschen ein inneres Wertesystem aufbauen können. Darin sehe ich die besondere Bedeutung der Schule.“ Die staatliche Stundentafel ist durch das Fach Ethik und die „Schule der Künste“ ergänzt. Die Schüler/innen werden im christlich-humanistischen Geist erzogen: orthodoxe, katholische, muslimische und atheistische Jugendliche. „Werte – das ist das Wertvollste, das wir ihnen geben können.“ Über Satellitenfernsehen, das es so gut wie in jedem Haus gibt, sind die Verlockungen des reichen Europa allgegenwärtig. Sr. Johanna erinnert an den früheren Kulturminister Kasachstans, der die enttäuschten Erwartungen mit einem markigen Bild beschreibt: „Wir wollten nach der Öffnung an die Wasserleitung des Westen anschließen, dummerweise haben wir die Kanalisation erwischt.“ Dass es in Europa aber nicht nur Abwasser gibt, dafür sind die Schwestern ein lebendiger Beweis.
Franziskanerinnen von Vöcklabruck in Kasachstan
Wie in unzähligen Dörfern der ehemaligen kommunistischen Sowjetunion haben auch in Tonkoschurowka die „Babuschkas“, alte Frauen, den Glauben am Leben erhalten. Lorenz Gawol aus Berlin war 1992 der erste Priester, der nach 63 Jahren wieder nach Tonkoschurowka kam. Er stieß dort auf Babuschkas, die in den Häusern gemeinsam den Rosenkranz beteten, den Kindern Jesusgeschichten erzählten und die tauften. Von Generation zu Generation wurde so eine einfache Gottesbeziehung weitergetragen. Die Babuschkas sind in der heute kleinen katholischen Gemeinde von Tonkoschurowka hoch geachtet, erzählen Sr. Johanna Pobitzer, Sr. Elfriede Möseneder und Sr. Herma Schaumberger. Die drei Franziskanerinnen finden es bereichernd mit diesen Frauen den Glauben teilen zu dürfen. Unterstützt wird die Kommunität der Franziskanerinnen in Kasachstan vom gesamten Orden, von einem Netzwerk an Spender/innen und österreichischen Volontärinnen.